Rivalen der Liebe
einmal mit einer Pistole vor seinem Gesicht herumgefuchtelt hatte, erschien ihm in diesem Zusammenhang nicht eben beruhigend. Vermutlich wäre seine erste Affäre als verheirateter Mann gleichzeitig seine letzte.
Diese Ehe hatte schon im Vorfeld alle Zutaten, die es für eine Katastrophe brauchte, das war ihm so klar wie nur irgendwas.
Und was dachte sie? Er sehnte sich mit einer Intensität nach ihren Worten, die ihn nun doch überraschte. Julianna schwieg nur selten, so gut kannte er sie bereits. Und genau das gefiel ihm ja so sehr an ihr: Diese Miss Julianna Somerset war eine liebenswerte Schrulle und machte keinen Hehl aus ihren Gedanken, die sie ohne Wenn und Aber aussprach. Damit konnte er sich sicher sein, dass er jederzeit wüsste, wo er mit ihr stand.
Juliannas Stirn war leicht gerunzelt, und sie knabberte an der Unterlippe. Vermutlich war das eher eine unbewusste Handlung. Trotzdem fand er sie gerade ausgesprochen erotisch.
Wenn sie tatsächlich heirateten …
Roxbury zwang sich, seine ganze Konzentration auf die Zukunft zu legen, die nun, nachdem er die Karten auf den Tisch gelegt hatte, allein in ihren Händen lag. Es waren kleine, weibliche Hände in hübschen Handschuhen, die jetzt unwillkürlich immer wieder den Stoff ihres roten Kleids kneteten.
Roxbury wartete so geduldig wie er konnte. Sein Schicksal hing an einem seidenen Faden, und alles kam jetzt auf das Herz und den Verstand einer höchst irritierenden Frau an. Die Versuchung, die ganze Flasche Brandy auf einmal hinunterzustürzen, war groß. Er legte sie lieber zurück unter die Polster. Das war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich ordentlich zu betrinken. Er würde bis nach ihrer Antwort warten. Egal, ob sie Ja oder Nein sagte, er würde danach definitiv einen ordentlichen Schluck brauchen.
Schließlich, als die Kutsche vor Nummer 24 am Bloomsbury Place hielt, ergriff sie das Wort. Ihre Stimme war samtig, als sie all seine Hoffnungen zerfetzte.
»Ich danke Euch für Euer Angebot, Roxbury. Aber die Antwort lautet Nein.«
Kapitel 29
Bloomsbury Place 24
Sophie hatte schon vor Monaten geheiratet und war direkt danach ausgezogen, und Julianna hatte die Einsamkeit seither nie so deutlich gespürt wie in diesem Moment. Wenn ihre Freundin jetzt hier wäre, könnten sie sich zusammen auf dem Sofa einkuscheln und einen Becher Tee trinken, während Julianna sich ausgiebig über Roxbury und die vielen Probleme ausließe, die er mit sich brachte. Sophie würde ihr verständnisvoll zur Seite stehen und sie zum Lachen bringen.
»Du wirst nicht glauben, was ich für einen Tag hatte, Penny«, sagte Julianna zu ihrem Dienstmädchen und hoffte im Stillen, das Mädchen in ein Gespräch verstricken zu können. Erst war sie von Knightly gefeuert worden, und dann hatte Roxbury ihr auch noch einen Antrag gemacht! Das war wirklich eine erstaunliche Wendung des Schicksals, und Julianna musste einfach mit jemandem darüber reden, damit es sich echt anfühlte.
»Ich lasse Euch ein heißes Bad ein«, gab Penny eilfertig zurück und musterte die völlig durchnässte Julianna. »Im Salon habe ich Tee serviert.«
Julianna schenkte sich eine Tasse heißen Tee ein, gab Zucker dazu und setzte sich hin. Wenn doch nur Sophie hier wäre! Aber sie war am anderen Ende der Stadt, wo sie es lauschig und bequem in Hamilton House hatte – soweit das überhaupt möglich war bei der Größe dieses Hauses. Es würde bestimmt nicht lange dauern, bis Brandon und sie eine ganze Kinderschar um sich versammelten, und dann hätte Sophie noch weniger Zeit für Julianna und die anderen Schreibfräulein.
Julianna aber lebte ganz allein. Kein Ehemann, keine Verehrer – zumindest keine ernstgemeinten. Roxbury war ein verzweifelter Narr, der keine andere Wahl hatte und deshalb auf sie als Ehefrau gekommen war – immerhin war ihre Lage ähnlich verzweifelt wie seine. Die Schreibfräulein waren echte Freundinnen, aber sonst hatte ihr jeder andere den Rücken zugewandt, als die ersten Andeutungen eines Skandals auf sie fielen. Ja, das war ein bitterer Vorgeschmack auf ihre eigene Medizin. Sie wollte sich auch gar nicht beklagen, denn das war nicht ihre Art. Doch es blieb eine Tatsache: Sie war allein. Und einsam.
In einem fernen Winkel ihres Herzens und ihres Verstands hörte Julianna eine leise Stimme, die flüsterte, sie habe im Grunde auch nichts besseres verdient angesichts ihrer verwerflichen Klatscherei, die so manche Existenz zerstört haben mochte.
Wenn sie jetzt Ja sagte
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