Rivalen der Liebe
Alistair hinzu.
»Glaubst du wirklich?«, fragte Julianna und versuchte, fröhlich und unbeschwert zu klingen. Ihr war der Gedanke auch schon gekommen, doch sie wollte ihren Eindruck von Alistair bestätigt wissen. Es war merkwürdig und irgendwie liebenswert, wenn Roxbury in Bezug auf sie einen Beschützerinstinkt entwickelte.
Aber was hatte das alles zu bedeuten? Somerset war anfangs auch eifersüchtig gewesen, wenn sie mit anderen Männern redete. Aber schon kurz nach der Hochzeit hatte ihn das nicht mehr gekümmert.
»Ich sollte jetzt lieber gehen. Die Theatervorstellung fängt auch bald an. Aber ich weiß schon, womit du deinen Abend verbringen wirst«, sagte Alistair anzüglich.
Julianna schnappte entsetzt nach Luft – aber das war zum Teil auch gespielt.
»Es war schön, dich einmal wieder zu sehen, Alistair. Bitte komm doch wieder vorbei. Und in naher Zukunft sollten wir mal wieder zusammen ins Theater gehen.«
»Dann werden wir aber auf unseren Plätzen bleiben und uns nicht hinter der Bühne herumtreiben. Du hattest fürs Erste genug Skandale und Probleme«, sagte er schmunzelnd.
Von seinem Platz hinter dem Fenster im Haus gegenüber von Lord Roxburys Stadthaus konnte der Mann, der Bescheid weiß, an diesem Nachmittag beobachten, dass Lady Roxbury nicht nur einen, sondern gleich zwei Gentlemen unterhielt – nämlich ihren Ehemann und einen extravagant gekleideten, unidentifizierten Mann. Seine Aufmerksamkeit war geweckt. Diese Tatsache verdiente nähere Beobachtung. Wer hätte gedacht, dass die sittsame Lady zu solchen Eskapaden fähig war?
Oder war sie nur die Tarnung? Hatte die Lady mit Klasse etwa Recht mit ihren Gerüchten über Roxburys Vorlieben? Oder stürzte die junge Lady Roxbury sich sofort in eine neue Affäre?
Er musste noch mehr Detektivarbeit betreiben, und darin hatte er viel Erfahrung. Jahrelange Übung hatten seine Instinkte und die Sinne geschärft. Er konnte wunderbar lauschen und verdächtiges Verhalten beobachten. Obendrein hatte er auch das Glück, mit einem Allerweltsgesicht gesegnet zu sein, das so unscheinbar war, dass sein Gegenüber ihn schnell wieder vergaß. Dank seiner guten Ausbildung und seiner natürlichen Begabung war es nur eine Frage der Zeit bis er – und der Rest von London – all die kleinen, schmutzigen Geheimnisse erführe, die Lord und Lady Roxbury hatten.
Kapitel 36
Das Abendessen war an diesem Abend eine stille Angelegenheit. Roxbury schmeckte kaum, was er zu sich nahm, und sprach stattdessen reichlich dem Wein zu. Da kein Gespräch aufkommen wollte, gingen seine Gedanken unweigerlich zurück zum Nachmittag. Ein ordentlicher Boxkampf bei Gentleman Jack hatte für sein unausgeglichenes Temperament Wunder gewirkt. Gott allein wusste, was passiert wäre, wenn er sich nicht abreagiert und bei seiner Heimkehr einen fremden Mann in seinem Salon vorgefunden hätte. Er hätte für nichts garantieren können … Aber eines war sicher: So zivilisiert wäre ihre Begegnung nicht abgelaufen, wie sie sich abgespielt hatte.
Dass der Mann offensichtlich für die Tugend seiner Frau keine Bedrohung darstellte, stand gar nicht zur Diskussion. Für einen hitzigen, winzigen Augenblick hatte Roxbury nur drei Tatsachen gesehen: Seine Frau, ein anderer Mann und der unbändig in ihm aufsteigende Wunsch zu töten. Das hatte wohl etwas zu bedeuten.
Es war für ihn auf jeden Fall eine neue Erfahrung.
Über die tiefere Bedeutung und den Stellenwert seiner Reaktion wollte er lieber nicht nachdenken. Aber er durfte die Tatsachen genauso wenig ignorieren. Begann er allen Ernstes, sich um sie zu sorgen? Er hatte wohl noch nicht genug Wein getrunken, um über die Konsequenzen nachzudenken, wenn er tiefe, leidenschaftliche Gefühle für eine Frau entwickelte, die er nur deshalb geheiratet hatte, weil es ihm nutzte.
»Ihr seid heute Abend sehr still«, bemerkte Julianna. Sie saß am anderen Ende des langen Esstischs. Bevor sie bei ihm eingezogen war, hatte er diesen Raum nie benutzt. Jetzt genossen sie ein formelles Abendessen mit Dutzenden Kerzen und feinem Geschirr, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er es besaß.
»Ich denke nach«, sagte er.
Soll ich mit meiner Ehefrau schlafen oder nicht? Das war die Frage.
» Ich sollte Euch wohl nicht bei so einer herausfordernden Unternehmung stören«, bemerkte sie so brav, wie es einer hingebungsvollen Ehefrau zustand. Ihre Worte allerdings verletzten ihn.
Roxbury legte sein Besteck beiseite, nahm einen Schluck Wein und
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