ROAD TRIP // Die erfolgloseste Band der Welt geht auf Tour (German Edition)
ihm die Hand hin:
„Hey, Andi! Alles klar?!“
Augenblick mal, Andi?!
„Du bist der beschissene Veranstalter?!“
„Ja.“
„Wie alt bist du, 15?!“
„Ich bin 18. Und du brauchst hier gar nicht so das Maul aufzureissen.“
„Wie das Maul aufzureissen?! Hast du mal rausgeguckt? Auf deinem
Festival sind grob null Leute!“
„Liegt wohl an den beschissenen Bands !“
Bei den letzten Worten wird er erheblich lauter. Seine Akne fängt leicht
an zu glühen und er starrt mir über die Ränder seiner Brille so tief in
die Augen, dass ich zu perplex bin um eine geeignete Antwort zu
finden.
„Ist eh scheissegal, Festival ist abgeblasen. Viel zu gefährlich sagt der
Techniker. Das kann da alles in die Luft gehen, so wie das da
reinregnet.“ Ich drehe mich zur Bühne um. Immer noch kreischt der Sänger der
ersten Band dem Aussehen nach zu urteilen mit voller Gewalt gegen
die Naturgewalten an, die ihm entgegenschlagen. Zu hören ist davon
nichts. Neben dem lauten Wind haben sich im Zelt mittlerweile auch
verschiedenste Gespräche zwischen Technikern, Securities und
Bühnenhelfern entwickelt, die sich größtenteils darum drehen, wie
beschissen hier alles organisiert sei und wie stark die diversen Festivals
des vergangenen Sommers ja gewesen waren.
Im Hintergrund höre ich Alex und Benni darüber streiten, ob Benni
Spritgeld für Hin- und Rückfahrt bekommen wird. Alex lässt ihn wissen,
dass er zwar kein Geld bekommen könne, da wir für den ausgefallenen
Gig wegen fehlendem Vertrag keine Kohle kriegen, er jedoch gerne sein
letztes Grafensteiner Pils mit ihm teilen könne. Sei auch gar nicht mehr
so warm. Mein Blick haftet jedoch weiter auf der Bühne.
Das Bild der beharrlich durchhaltenden Band, die Wind und Wetter
trotzt und bereit ist, auch ohne Publikum alles zu geben - war das nicht
Rock‘n‘Roll? Den Jungs ist es scheißegal, dass sich kein Schwein für
ihren Auftritt interessiert. Ist das nicht Leidenschaft?! Ist das nicht
überhaupt die Essenz von Musik - Leidenschaft? Und wenn die geizigen Veranstalter wieder nur kalte Würstchen anbieten oder die Securities
irgendwelche asozialen Hools sind, denen es scheißegal ist, ob sie grad
bei einem Konzert der Queens of the Stone Age arbeiten, im Puff oder
in der nächsten beschissenen Dorfdisko, weil an ihren blank polierten
Birnen eh alles vorbei geht - sollte man nicht einfach glücklich sein,
dass man seine Songs spielen darf? Dass man seine Gefühle, die
inneren Kämpfe, alles was sich im Alltag an Frustration aufbaut,
verstärkt durch 10.000 Watt in die Welt hinaus brüllen darf?!
Ich habe das Gefühl, dass sich mir die wahre Definition von Rock durch
den Anblick dieser ungezügelten Band von pubertären
Nachwuchsmusikern neu erschließt.
„Ach du scheiße!“
Ein Raunen geht durch das Zelt. Der Gitarrist der Band hatte im Refrain
zur wahrscheinlich schiefen Zweitstimme angesetzt, als es ihn erwischt.
Stromschlag. Kein Wunder, die Mikrofonkabel liegen jetzt seit über
einer halben Stunde teilweise komplett unter Wasser. Er fliegt satte 2
Meter zurück, knallt mit dem Rücken auf den Bühnenboden und bleibt
liegen. Der Rest der Band spielt noch knapp 30 Sekunden weiter, ohne
den Verlust zu bemerken. Erst als erste Helfer die Bühne stürmen um den Puls des Gitarristen zu fühlen, bemerken auch die anderen
Bandmitglieder, dass sie den Kampf gegen den Sturm verloren haben.
„Lass fahren, Mark. Das ist doch scheiße.“
Benni reicht mir die Krücken, die ich beim Knall des Stromschlags vor
Schreck fallen gelassen habe.
Wir verabschieden uns von Alex, der das Spektakel auf der Bühne
weiter beobachtet, und ich humpele zurück zu Bennis festgefahrener
Karre.
„Kannst du grad anschieben, Mark?“
„Alter?! ich hab den Fuß...“
„War nur ein Spaß, Alter. Der Wagen packt das schon, keine Sorge. Steig
ein.“
Im Wagen merke ich erst wie furchtbar ich mich fühle. Der Gips ist voll
mit Schlamm und von innen klebt die Cola an meinem Fuß, den ich
wahrscheinlich in vier bis sechs Wochen erst wieder waschen kann.
„Bock auf McDonald‘s aufm Rückweg?!“
„Fahr mich bitte einfach nach Hause, Benni. Mir geht‘s echt beschissen.“
„McDrive?“
„Lass mich bitte einfach zuhause raus. Ich muss echt pennen.“ „Hast doch noch gar nichts geschafft heute!“
„Doch. Hab mir den Fuß gebrochen. 7. Heimweg
Mittlerweile ist
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