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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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der
verrückte Jens
.
     
    Wieder in Deutschland zu wohnen hatte einen großen Vorteil. Sie konnten nun endlich richtig Sommerurlaub machen. In ihren
     Auslandsjahren hatten Teresa und Robert sich stets verpflichtet gefühlt, die Sommerpause für den Besuch zu Hause zu nutzen.
     So waren sie in den ersten zehn Jahren ihrer Beziehung, bis zum 28. Lebensjahr, nur zweimal im Urlaub richtig weg gewesen,
     auf Kos und in Südholland.
    Nachdem im Sommer 2007 Robert Enkes dritte Saison in Hannover auf gewohntem Terrain endete, auf Platz elf der Bundesliga,
     reisten sie wie im Vorjahr nach Lissabon in die Ferien.
    Der Vergleich ließ sich nicht verhindern: Vor einem Jahr hatten sie die Tage in Portugal voller Euphorie erlebt, auch weil
     Lara solche Fortschritte gemacht hatte. Und nun? Waren sie wieder enthusiastisch, selbst wenn die Begeisterung sie nicht mehr
     gänzlich ergreifen konnte. »Ein Kind zu verlieren bleibt immer fürchterlich«, sagt Teresa. »Aber wir hatten mit Lara zwei
     Jahre |309| im Ausnahmezustand gelebt, mit der ständigen Angst, sie könnte sterben. Im Urlaub in Lissabon merkte ich zum ersten Mal: So
     unerträglich ihr Tod war, so war er zum Teil auch eine Befreiung. Wir konnten wieder ohne die Angst leben.«
    Sie saßen im
La Villa
am Strand von Estoril, es war halb zehn am Abend und noch taghell. Selbst das Meer bewegte sich mit der Trägheit eines ausklingenden
     Sommertages.
    »Hier würde ich gerne immer leben.«
    »Wir könnten nach der Fußballkarriere wieder hierher ziehen.«
    »Und wenn wir uns ein Haus kaufen? Dann könnten wir von Hannover aus immer mal wieder ein paar Tage nach Lissabon kommen,
     nicht nur in den Sommerferien.«
    Am nächsten Morgen blühte die Phantasie kräftiger.
    Er traf sich mit Paulo Azevedo. Sie waren in Kontakt geblieben, seit Paulo vor einem Jahr die Veranstaltung beim Goethe-Institut
     organisiert und Robert herausgefunden hatte, dass sie so etwas wie eine gemeinsame Vergangenheit besaßen: Fast zehn Jahren
     zuvor hatte Paulo einmal zwei Tore gegen ihn geschossen. In Freiburg aufgewachsen, spielte Paulo 1999 als Profi für Carl Zeiss
     Jena. In einem Training hatte er zweimal gegen Enke getroffen, der während eines Sommerbesuchs spontan bei seinem alten Klub
     mittrainiert hatte.
    Nun redeten sie schon wieder vom Fußball.
    »Was meinst du, wenn ich zum Abschluss der Karriere, so mit 34, noch mal bei Benfica spiele«, sagte Robert. »Das wäre es doch.«
    »Lass mich rechnen: 34 wirst du im August 2012. Passt doch ideal: Dann hast du bis dahin die Weltmeisterschaft 2010 und die
     Europameisterschaft 2012 für Deutschland gespielt und kannst hier die Karriere im großen Stil ausklingen lassen.«
    »Und was gibt es noch für kleinere Erstligisten rund um Lissabon?«
    »Belenenses.«
    »Klar, Belenenses! Da könnte ich dann von 36 bis 38 spielen, das würde ich auch noch schaffen.«
    Es klang wie Spaß, doch während er die Sätze aussprach, |310| wurden sie in seinem Kopf zu ernsten Ideen. Er hatte wieder Träume.
    Er begleitete Paulo zur Deutschen Botschaft, wo Paulo inzwischen arbeitete. Im schattigen Garten war ein Empfang für die Gehörlosen-Nationalelf
     geplant, die an ihrer Europameisterschaft in Lissabon teilnahm. Robert Enke war der Überraschungsgast.
    Die gehörlosen Fußballer stießen Laute der Freude aus, als sie ihn erkannten. Er versuchte, sich seine Verunsicherung nicht
     anmerken zu lassen. Konnte er mit ihnen reden, konnten sie ihm die Worte von den Lippen lesen? Er hielt sich an den Trainer,
     Frank Zürn, der nicht taub war und die Gebärdensprache von seinen gehörlosen Eltern gelernt hatte.
    Zürn war angenehm überrascht, wie viele Fragen der Torwart hatte. Wie kamen die Gehörlosen im Berufsleben zurecht, wie verständigten
     sie sich auf dem Platz, konnten sie auch in einer normalen Fußballmannschaft spielen? Als Robert Enke irgendwann im Gespräch
     sagte, »Sie wissen ja vielleicht, dass ich eine gehörlose Tochter hatte«, war es Zürn, der sich nichts anmerken lassen wollte.
     Er war überwältigt von der Selbstverständlichkeit, mit der Enke über seine Tochter redete. Ermutigt vom Trainer, dass die
     Gehörlosenfußballer ihn verstünden, wenn er langsam rede, mischte er sich unter sie. Sie tauschten den üblichen Fußballerflachs
     aus. Er sei aber nicht so muskulös wie Kahn, er solle doch einmal bei ihnen mittrainieren, warum wechsle er nicht zu Werder
     Bremen. Zwei Tage später staunten die Gehörlosen. Er stand bei ihnen

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