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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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einfach mal eine Runde schläft«.
    Teresa wurde ungeduldig. Sie wusste, nach der Feier würde er sich wieder mit Selbstvorwürfen überschütten, dass er es nicht
     einmal mehr schaffte, sich auf einem Kindergeburtstag normal zu verhalten. Das war die Falle der Depressionen: Sie raubten
     ihm die Kraft, die normalsten Dinge zu tun, und danach zog ihn der Eindruck, dass er nichts mehr zuwege brachte, umso tiefer
     in die Krankheit.
    Teresa legte ihre Hand auf seine Schulter. Er rekelte sich auf der Liege und tat, als wache er auf.
    »Komm, wir spielen Tennis.«
    Sie drückte ihm einen Schläger in die Hand. Er sollte den Ball schlagen, und sie versuchte ihn zu fangen. Sie hielt dabei
     Leila auf dem Arm. Nicht, dass auch noch das Kind anfing zu schreien, wenn sie es absetzte.
    Sabine Wilke wunderte sich, warum Teresa andauernd für Robert antwortete, warum sie ihm wie einem kleinen Kind vorsagte: »Komm,
     Robbi, iss doch mal ein Stück Kuchen, das magst du doch.«
    Es war eine große Anstrengung für ihn, allein zu entscheiden, ob er Pflaumen- oder Käsekuchen wollte. Er fühlte sich chronisch
     überfordert von den minimalen Anforderungen des Alltags. Aber er lavierte sich durch den Tag, er trainierte, er lächelte auf
     dem Kindergeburtstag, er spielte seine Rolle. Irgendetwas zu tun, so viel Kraft es auch kostete, war immer noch besser, als
     der Müdigkeit nachzugeben und sich auszuruhen. Denn dann |372| kamen die Gedanken. Dann sah er in seinem Büro drei nicht geöffnete Briefe und fühlte, das Büro versinke im Chaos, er dachte,
     ich schaffe es nicht einmal mehr, den Bürokram in Ordnung zu halten, dachte, ich schaffe doch gar nichts mehr, dachte, es
     ist sowieso schon alles zu spät, ich habe bereits alles falsch gemacht.
     
    Es war ein schmaler Grad zwischen der Notwendigkeit, gefordert zu sein, und der Gefahr, überfordert zu werden. Und die Arbeit
     bei Hannover 96 wurde im August auch für einen gesunden Profi zu einer außergewöhnlichen Nervenbelastung. Der Präsident Martin
     Kind und Sportdirektor Jörg Schmadtke überzeugten den Trainer, dass es das Beste für alle sei, wenn er zurücktrete. Der fromme
     Wunsch, nach den Spannungen des Vorjahres mit Dieter Hecking einfach neu anzufangen, hatte sich nach gerade zwei Bundesligaspieltagen
     der neuen Saison als illusorisch erwiesen. Es war der 19. August, noch immer dieselbe Woche, in der Robert Enke mit den Antidepressiva
     begonnen hatte, in der er auf dem Kindergeburtstag nicht mehr fähig war, sich für eine Kuchensorte zu entscheiden. Nun sollte
     er vor den Fernsehkameras zu Heckings Abgang Stellung beziehen, er sollte dem neuen Trainer Andreas Bergmann als Kapitän eine
     besondere Hilfe sein, und er musste mit den Gewissensbissen fertig werden, dass sie als Mannschaft ihre Mitschuld am Scheitern
     des Trainers hatten.
    Als Hannover das erste Spiel unter Bergmann in Nürnberg 2:0 gewann, feierten die Spieler in der Umkleidekabine, als wären
     sie erlöst worden. Robert Enke war nicht da. Er musste ein Fernsehinterview nach dem anderen geben. 25 Minuten nach Schlusspfiff
     kam er endlich in die Kabine, es war schon stille Freude eingekehrt. Hanno Balitsch wusste, was für eine Anstrengung es für
     Robert derzeit war, Reporterfragen zu beantworten.
    »Herr Kuhnt«, sagte Hanno noch in der Kabine zu Hannovers Pressesprecher, »es geht nicht, dass Robs alle Interviews geben
     muss und deswegen nicht dabei ist, wenn die Mannschaft feiert. Wir müssen die Interviews aufteilen, zum Beispiel eines der
     Brug, eines der Steini und eines ich.«
    |373| Niemand schöpfte Verdacht. Der Pressesprecher fand es nachvollziehbar, was Hanno sagte, es war doch wichtig für den Mannschaftsgeist,
     dass alle zusammen feierten.
    Auch für Robert Enkes verändertes Verhalten schien es immer eine logische Erklärung zu geben. Tommy Westphal fiel auf, dass
     Robert auf einmal alle Wohltätigkeitsaktionen absagte, für die er sich zuvor immer außerordentlich viel Zeit genommen hatte.
     Na ja, er wird jetzt natürlich auch einmal mit seiner kleinen Tochter zu Hause sein wollen, sagte sich Tommy.
     
    Auf den langen Busfahrten zu den Auswärtsspielen erzählte Robert Enke Hanno Balitsch nach und nach alles über seinen schwarzen
     Hund. In einer Profimannschaft auf Reisen hatten im Jahr 2009 mindestens drei Viertel aller Spieler Kopfhörer auf, um sich
     mit Musik, Filmen oder Computerspielen abzulenken, statt miteinander zu reden. So konnten sich Robert und Hanno in

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