Roberts Schwester
vermutlich gar keine Hintergrundgeräusche aufgefallen, vielleicht hätte ich es für Bandrauschen gehalten. Aber es war ein anderes Rauschen. Es war nicht viel auf dem Band. Die Aufzeichnung brach in dem Moment ab, als Robert den Hörer aufnahm. Bis dahin war eine Männerstimme zu hören.
«Hier ist Biller.»
Danach kamen nur noch wenige Sätze und die auch noch sehr gedrängt, als sei er in großer Eile. Ich versuchte, mich auf die Stimme zu konzentrieren. Aber gleich nachdem er den Namen ausgesprochen hatte, sagte der Mann zwei Worte, die mir das Blut in den Kopf trieben und jede Konzentration zunichte machten.
«Hallo, Rob, schade, dass ich dich nicht persönlich erreiche. Ich habe alles beisammen, was du brauchst, um dir dein Problem vom Hals zu schaffen. Ging schneller, als ich dachte. Ich rufe dich wieder an, wir können uns dann …»
An der Stelle brach es ab. Hallo, Rob! Das hallte mir sekundenlang durch den Schädel. Es war ein Gefühl von Eis rund um das Herz herum. Ich kannte nur einen Mann, der Robert so angesprochen hatte. Serge.
9. Kapitel
Seine Stimme klang nicht so wie sonst. Vielleicht lag es an der schlechten Bandqualität. Es war viel Rauschen im Hintergrund. Und noch mehr Rauschen in meinen Ohren. Ich begriff das nicht. Piel faselte in meinem Hinterkopf noch einmal von Verdrängen, sich nicht erinnern wollen. Was ich wollte, kümmerte niemanden, nicht einmal meinen Verstand. Er hob einen winzigen Zipfel von der schwarzen Decke an, die sich über die Nacht gelegt hatte. Und unter diesem Zipfel sah ich mich auf dem Bett in Serges kleiner Wohnung liegen. Unter dem Zipfel hörte ich mich fragen:
«Was ist nun? Tust du mir den Gefallen? Es ist doch nichts dabei. Du rufst Robert an und sagst: Hier ist Biller.»
Serge tippte sich an die Stirn.
«Und was soll der Quatsch? Was soll ich ihm anschließend sagen? Hast du überhaupt eine Ahnung, wer Biller ist?»
«Das will ich ja gerade herausfinden», sagte ich. Ich schüttelte den Kopf, damit der Zipfel zurückfiel. Ich wollte das weder sehen noch hören. Wolbert hielt mein Kopfschütteln anscheinend für ein Nein, was das Erkennen der Stimme betraf, und gab sich vorerst damit zufrieden. Er ließ das Band ein zweites Mal vorspielen. Diesmal sollte ich auf das Rauschen achten. Es fiel mir schwer, mich überhaupt noch auf etwas zu konzentrieren. Aber irgendwie schaffte ich es. Es gelang mir sogar, die Stimme auszublenden.
«Hallo, Rob, schade, dass ich …»
Darunter lag ein fast gleichmäßiges Rauschen. Nun ja, es hatte geregnet in der Nacht. Und ich hatte geduscht, nachdem Serge sich geweigert … Und als ich aus dem Bad zurückgekommen war, hatte er gesagt:
«So, deinen Gefallen habe ich dir getan. Und wie geht’s jetzt weiter?»
Wenn ich es nur gewusst hätte. Wolbert schaute mich an, so gelassen und gleichmütig, als ginge es nur darum zu erfahren, ob ich Kaffee oder Tee bevorzugte zum Frühstück.
«Ich nehme an», erklärte er,
«dass der Mann ein Treffen vorschlagen wollte. Aber das konnte er Ihrem Bruder dann persönlich sagen. Und offenbar war Ihrem Bruder die Sache so wichtig, dass er es vorzog, den Mann noch in der gleichen Nacht zu treffen. Und Sie wollten das verhindern, Frau Bongartz.»
Jetzt kam er wohl auf seine Hypothese zurück. In meinem Kopf ging alles durcheinander. Vielleicht hatte er Recht, vielleicht hatte ich verhindern wollen, dass Robert das Haus noch einmal verließ. Weil ich genau wusste, dass es überflüssig war, dass es keinen Biller gab, jedenfalls keinen, der sich irgendwo draußen mit Robert treffen wollte. Der Techniker fummelte an den Knöpfen seiner Anlage herum. Ich wartete immer noch darauf, dass Wolbert mich fragte, ob ich die Stimme erkannt hätte. Aber damit verlor er keine Zeit mehr. Er blätterte in seinem Notizbuch.
«Herr Torhöven will deutlich verstanden haben, dass Sie Ihren Bruder anschrien, du bleibst hier, oder es gibt ein Unglück.»
Ja, natürlich, warum auch nicht! Wenn Jonas es deutlich verstanden haben wollte! Ein Unglück hatte es dann ja auch gegeben. Jetzt sprachen wir wenigstens Klartext. Es war mir lieber als dieses scheinheilige Getue vom Vormittag. Er musste mich doch gar nicht mehr fragen, ob ich die Stimme erkannt hatte. Er wusste es doch bereits. Vielleicht hatte Serge ein Geständnis abgelegt, vielleicht hatte Wolbert sich auch so längst seinen Reim auf alles gemacht. Hatte sich voll und ganz auf das verlassen, was Isabell und Jonas ihm serviert hatten. Jonas
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