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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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hatten wir uns oft einen Spaß daraus gemacht. Ich hatte ihn imitiert und seine Freunde damit verwirrt. Jetzt verwirrte ich ihn, nicht mit der Stimme, nur mit dem, was ich sagte.
    «Ich habe stundenlang im Wagen gesessen und auf Biller gewartet. Er ist nicht gekommen.»
    Dann sprach ich in normalem Tonfall weiter.
    «Er kann nämlich nicht kommen. Weil er dich gar nicht angerufen hat. Serge hat dich angerufen. Ich habe ihm gesagt, er soll es tun, und er tut mir jeden Gefallen.»

    «Ich weiß», sagte Robert nur. Er war so traurig. Ich verstand gar nicht, warum. Als er mir die Kapsel in die Finger gedrückt hatte, hatte er zu Serge gesagt:
    «Ich hoffe, das ist die letzte. Und ich hoffe auch, sie war das letzte Mal hier. Kommst du dir nicht selbst ein bisschen vor wie ein kleiner Schweinehund, ihre Situation so auszunutzen?»

    «Ich nutze sie nicht aus», hatte Serge ihm geantwortet.
    «Ich habe noch nie einen Pfennig von ihr verlangt. Sie legt mir das Geld hin. Sie will es doch so. Vielleicht braucht sie das.»

    «Sie braucht Ruhe, weiter nichts», hatte Robert gesagt. Und er wirkte so fest entschlossen, als er dann während der Fahrt zu mir sagte:
    «Ich kann doch nicht länger untätig zusehen, wie du vor die Hunde gehst, Mia. Wenn es umgekehrt wäre, hättest du auch längst etwas unternommen. Ich hätte Isa niemals ins Haus bringen dürfen, das ist mir inzwischen klar. Aber du wirst nicht mehr lange mit ihr unter einem Dach leben müssen, nicht mit ihr und nicht mit Jonas.»

    «Du wirfst sie hinaus?», fragte ich.
    «Es wird wieder alles so wie früher.»
    Ich wollte ihn umarmen dafür, aber er wehrte mich mit einem Arm ab. Dabei lachte er leise.
    «Nein, Mia. So wie früher wird es nie mehr. Das kann es auch nicht. Ich bin nicht mehr der kleine Junge, der stundenlang still auf einem Stuhl sitzen konnte, um sich von dir zeichnen zu lassen. Und du bist nicht mehr die junge Frau, die mir mit ihrer Stärke imponiert hat. Du bist krank, Mia. Du bist sehr krank. Jetzt bin ich der Stärkere, und ich muss etwas tun, damit du gesund wirst. Fragt sich nur, ob ich stark genug bin, es bis zum bitteren Ende durchzustehen. Es wird hart werden. Ich weiß nicht, ob ich hart sein kann.»
    Und dann schob er mich auf das Haus zu. Er schloss die Tür auf, schob mich weiter durch die Halle. Er war sehr sanft und behutsam dabei.
    «Komm, Mia, komm, leg dich hin, ruh dich aus. Hast du noch Schmerzen?»

    «Nein.»
    Schmerzen nicht. Ich war nur so steif im Innern.
    «Dann ist es gut. Schaffst du es alleine ins Bett?»

    «Nein.»
    Und die Panik. Ein Haus suchen! Hart sein! Das konnte er nicht. Das konnte er mir doch nicht antun.
    «Komm, sei vernünftig, Mia. Ich habe nicht so viel Zeit. Biller ist nur auf der Durchfahrt. Er wird nicht ewig auf mich warten.»
    Zuerst lachte ich noch, es klang vielleicht ein bisschen gemein. Es gab keinen Biller auf der Durchfahrt, das sagte ich ihm noch einmal klar und deutlich. Dann weinte ich ein bisschen. Nicht richtig, richtig weinen konnte ich nicht. Robert wusste, dass es falsch war, nur ein bisschen Theater. Er glaubte mir nicht. Robert glaubte mir nie. Ich konnte sagen, was ich wollte. Dieses Weib da oben hatte ihn völlig um den Verstand gebracht. Und jetzt starrte sie auf mich hinunter. Amüsierte sich, lachte sich ins Fäustchen.
    «Geh wieder ins Bett, Isa», rief Robert ihr zu. Aber sie blieb auf ihrem Platz und genoss ihren Triumph. Er schob mich wieder vor sich her, diesmal auf mein Atelier zu.
    «Hör auf mit dem Theater», sagte er.
    «Mein Gott, reiß dich doch zusammen, Mia. Hör mir zu, du musst dich ein bisschen zusammennehmen jetzt. Du hast keine Schmerzen mehr, es geht dir schon viel besser. Also, leg dich jetzt hin und gib endlich Ruhe.»
    Es klang fast, als ob er wütend auf mich sei. Und dann schloss er die Tür. Und er drehte den Schlüssel von außen um. Ich rief nach ihm. Ich schrie, brüllte, schlug mit der Faust gegen das Holz, und draußen vor dem Haus röhrte der Motor seines Wagens auf. Es gab keinen Biller auf der Durchfahrt. Robert hatte mich verlassen. Er hatte gesagt:
    «Es tut mir Leid für dich, aber ich kann nicht mehr, Mia. Ich kann wirklich nicht mehr.»
    Als er mich einschloss, hatte er das gesagt. Und ich hatte es deutlich gehört. Das Fenster! Ich lief hin, riss es auf, stieg hinaus. Da war ein Balken, ich stieß mir den Kopf. Es tat so weh. Es tat so furchtbar weh. Und ich schrie:
    «Komm zurück, Robert, komm sofort zurück. Oder es gibt ein Unglück.

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