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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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öffnen ließe. Als er es wenige Augenblicke später
bejahte, stieg Robina ohne weiteres Zögern in den leichten
Skaphander und forderte enthusiastisch: „Also, worauf wartest
du, dann gehen wir!“
Der schwere Verschluss der runden Luke kippte nach einem
leichten Druck auf den Sensor zur Seite und gab den
Durchgang zu einer Schleuse frei, deren Dimensionen sich von
jener, die zum Hangar führte, deutlich unterschieden. Es fehlte
nicht viel, und Robina hätte sie gebückt passieren müssen. Als
zweiter Unterschied: Diese Schleuse funktionierte automatisch
– auch ein Zeichen für Robina, dass der irdisch anmutende
Wohntrakt nachträglich errichtet wurde.
Sie betraten einen schier endlosen, ebenfalls sehr niedrigen
Korridor, von dem in bestimmten Abständen
Querverbindungen abzweigten. Links und rechts befanden sich
zahlreiche dieser runden Türen ohne Anschläge und Tableaus,
sodass sie wohl ohne Kenntnis eines Codes oder einer
Automatik nicht geöffnet werden konnten.
Robina schritt forsch den Gang geradeaus, Birne schwebte in
geringem Abstand vorneweg.
Auf einmal blieb er stehen, drehte sich ihr zu und fragte:
„Wohin willst du? Dieser Mittelgang bildet gleichsam die
Längsachse des Schiffs. Er ist nach deinem Maß etwa
eintausendzweihundertdreißig Meter lang. Es sind im
Wesentlichen die Schlafzellen, die er verbindet.“
„Schlafzellen“ wiederholte Robina.
„Tausende von ihnen schlafen. Sie werden auch von deiner
Erde nichts gesehen haben“, erläuterte Birne.
„Das ist perfekt!“ Robina dachte einen Augenblick an die
Anabiosezustände in der REAKTOM, die jeweils nur drei
Monate Schlaf zuließen. Danach mussten die
Versorgungssysteme generalüberholt werden.
„Also – wohin?“, mahnte Birne.
Unschlüssig antwortete Robina: „Es wird doch wohl
interessantere Bereiche in diesem Schiff geben.“
Der Roboter verhielt, seine Gesichtsdioden flirrten.
,Er verständigt sich mit den Wachhabenden?’, fragte sich
Robina.
„Folge mir!“
Er bog nach etlichen Metern nach rechts in einen der
Quergänge ab. Wieder gab es unzählige dieser Zellen.
Allmählich begann Robina das Ausmaß der Unternehmung der
Fremden zu begreifen. Eine ganze Zivilisation befand sich hier
auf der Suche nach einer neuen Heimstatt. Wie lange wohl
schon? Sie dachte an die Menschheit und daran, dass diese in
eine ähnliche Situation geriete. Eine unvorstellbare Aufgabe!
Milliarden auf Wanderschaft. „Wie viele Schiffe sind es?“,
fragte sie plötzlich.
„Ich weiß es nicht genau. Du kennst meine Aufgabe. Es sind
weit über tausend, aber natürlich längst nicht alle auf diesem
Kurs. Das wäre eine unvorstellbare Verschwendung von
Energie und Material. Sie parken. Ab und an werden diese
Standorte verlagert, dann, wenn Räume ergebnislos
durchforscht sind. Wir sind mit dem Suchkommando
unterwegs. Es sind noch sieben Schiffe.“
„Noch?“
„Einige sind verloren gegangen…“
Robina fragte nicht weiter. Wieder dachte sie an die
REAKTOM. ,Verloren gegangen’, echote es in ihr.
Nach vielleicht 100 Metern endete der Gang vor einem etwas
größerem Schott auf der Stirnseite. Es öffnete sich, Birne
schwebte zur Seite, gleichsam Robina den Vortritt lassend.
Sie überstieg den Rand der Lukenfassung und blieb aufs
Höchste verwundert stehen. Sie befand sich gleichsam auf der
Kuppe eines flachen Hügels und blickte in eine Landschaft,
deren erhabene Schönheit der auf der Erde verkitschte
Ausdruck ,lieblich’ nicht zu treffen vermochte, eher weit
untertrieb.
Unterhalb Robinas Standort flankierte eine Gebüschzeile den
Hügel – aber was für Gewächse! Alle Grünschattierungen
leuchteten da, von fast gelb bis beinahe blauschwarz. Das Land
floss gleichsam in eine leicht gewellte weinrötliche Ebene
hinein, die ein glitzernder Fluss durchzog, von dem
durchsichtiger flirriger Dunst aufstieg. In der Ebene einzeln,
am Ufer des Gerinnes dichter, standen Gebilde, vom Wuchs
irdischen Palmen am ähnlichsten, die riesige Blätter trugen.
Am jenseitigen Ufer stieg das Gelände wieder an,
Buschgruppen leiteten zu einem Wald über, der seinerseits von
hohen, zum Teil felsigen blaugrauen Bergen überragt wurde.
Über dem Ganzen lag ein sanftes Licht, das keine Schatten
warf.
Das, worauf Robina trat und woraus offenbar die
wiesenartigen Flächen bestanden, ließ sich am ehesten mit
üppigem irdischen Moos vergleichen. Robina hätte sich
hineinwerfen, die Arme von sich strecken, in den hellen,
fahlvioletten Himmel starren mögen…

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