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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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erholen. Menschen an Bord, und das gewiss
seit längerem – seit sie, diese Fremdlinge, von der Erde
aufbrachen. Wie eine Keule traf Robina diese Erkenntnis. ,Und
wenn ihr Schiff annähernd so schnell ist, wie die REAKTOM,
war das vor etwas mehr als sieben Jahren… so lange schlafen
sie…? Nein!’ Auch zu dieser Frage drängte sich der Frau
spontan eine Antwort auf: ,Deshalb die typisch irdische
Einrichtung des Wohntrakts – planmäßig. Das hätten sie nicht
gemacht, wenn die beiden a priori in die Anabiose gegangen
wären. Also haben sie hier gewohnt oder – sollen sie hier
vielleicht…? Mit mir konnten sie nicht rechnen; deshalb das
Provisorium! Robina stieß erleichtert den Atem aus. Ein Rätsel
hatte sich gelöst. Aber so gleich schoss die nächste Frage
durch ihr Hirn: ,Freiwillig oder gekidnappt? Ach, das ist mir
doch so egal!’, jubelte es plötzlich in ihr. ,Menschen, endlich
Menschen!’ Eine Gefühlswoge brandete in ihr auf. Sie schlug
die Stirn an die Scheibe, hieb mit gespreizten Händen dagegen,
Tränen stürzten über ihre Wangen, und schluchzend sank sie
zu Boden. „Menschen“, murmelte sie, „Menschen.“ –
19
    Wie lange Robina vor dem Glaskasten auf dem Boden
hockend im Glücksrausch verbrachte, hätte sie später nicht zu
sagen vermocht. Sie erwachte gleichsam wie aus einem Traum.
Birne stand reglos neben ihr.
    Langsam erhob sich die Frau, starrte wieder hinein auf die
Reglosen, minutenlang. Dann sagte sie, ohne den Roboter
anzusehen: „Meine Leute, Birne, das sind meine Leute.“
    „Ja, deine Leute“, echote die Maschine. Und nach einer
Pause: „Komm, der Alarm ist beendet. Sie entdecken uns.“ In
Birnes Gesicht flirrte der Rhombus.
    Noch voller ungläubigem Staunen nickte Robina. Zögernd
löste sie sich von der Glaswand, ging die ersten Schritte
rückwärts. Dann folgte sie dem Roboter in die Diele, warf
einen langen Blick zurück.
    Birne schloss die Tür behutsam. Die Dioden an seinem Kopf
leuchteten nicht mehr, sodass Robina die brennende Frage, die
ihr in einem plötzlichen Anfall von Furcht eingekommen war,
unterdrückte.
    ,Hast du das Türschloss manipulieren können?’, wollte sie
fragen. Aber Birne hing bereits wieder im Netz.
Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte er. „Du wirst heute
nach dem Spaziergang gut schlafen, Robina.“
In ihrer Vorstellung sah Robina, wie er bei diesen für Dritte
unverfänglichen Worten schelmisch ein Auge zukniff. Freude
über ihren zuverlässigen Gefährten überkam sie, und sie warf
ihm einen dankbaren Blick zu.
Aber an einen ruhigen Schlaf war nicht zu denken. Lange lag
Robina wach, schlief unruhig, schreckte auf.
Immer wieder stand das Bild der zwei Schlafenden vor ihr,
stellte sie sich quälende Fragen: ,Wie sind sie in das Schiff der
Fremden geraten, wo stammen sie her, welches Schicksal
haben sie erlitten, wie mögen sie sein…’ Erst gegen Morgen
ihres künstlichen Tages schlief sie erschöpft ein. –
20
    Unausgeschlafen zwar, aber glücklich bereitete sie sich das
Frühstück. Der Gedanke, nicht mehr allein zu sein nach diesen
Jahrzehnten Einsamkeit, beflügelte sie, auch wenn die beiden
Artgenossen tief schliefen. ,Sie werden, müssen erweckt
werden. Eines Tages stehen sie vor mir und werden genau so
überrascht sein, dass es mich gibt wie ich, als ich sie gestern
sah…’
    Einige Male trat Robina in die Diele und schaute sehnsüchtig
auf die Tür. Sie zu berühren, wagte sie nicht, aus Furcht, die
Spione könnten Verdacht schöpfen und womöglich etwas
unternehmen, um die Nähe zu den beiden zu vereiteln. Sie
traute es ihnen unbedingt zu.
    Birne lag und lud seine Akkumulatoren. Der Vorgang dauerte
gewöhnlich vier Stunden, aber er musste schon in der Nacht
damit begonnen haben, denn als Robina genüsslich
frühstückte, löste er die Kabel und nahm seine Schwebelage 30
Zentimeter über dem Boden. Wie schlaftrunken schwankte er
ein wenig, wandte ihr den Kopf zu, und staunend nahm sie
wahr, dass plötzlich der Rhombus aufleuchtete: „Du kannst zu
ihnen – immer nur kurze Zeit – meine Leute merken nicht,
wenn sich die Tür öffnet Ich habe das Schloss präpariert.“ Die
Lichter erloschen.
    „Birne“, rief Robina in heller Freude, nahm sich jedoch sofort
zurück und biss sich auf die Lippe. Beinahe hätte sie,
glücklich, wie sie die Nachricht machte, Verräterisches
hinzugefügt. Doch plötzlich schoss ihr ein verwegener
Gedanke ein, und wiederum musste sie sich beherrschen, um
ihn nicht

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