Robolution
jedem. Reglos und in Reihen, stumm, ihre Kameras starr auf die Kunstwerke aus Einsen und Nullen gerichtet.
Der Raptorbeta stellte sich vor einem der Bilder auf und legte verwundert den Kopf zur Seite. McCrae trat neben ihn und flüsterte ihm zu: »Wissen Sie, Mr. Claw, ich habe auf Mäzenas VII schon einmal ein solches Ding gesehen. Dabei handelte es sich um die binäre Reproduktion der Mona Lisa, die in ihrer ursprünglichen Form als eines der bekanntesten Gemälde der alten Erde galt. Und obwohl diese ganzen Zahlen auf den ersten Blick natürlich nicht viel hermachen, hat der Leiter des Museums mir seinerzeit erklärt, wie genau diese Bilder sich aufbauen.« Sie zögerte einen Moment und fuhr erst fort, als der RaptorBeta den Kopf wendete und sie fragend anblickte. »Das System dahinter ist schlussendlich ganz einfach. Das Problem liegt lediglich in der Verarbeitung der Informationen. Die ersten Zahlensequenzen definieren den Untergrund, die folgenden das Alter, und die nächsten schließlich die Art der verwendeten Farben. Erst dann folgen die Zahlen, die das Motiv selbst bezeichnen. Zuletzt kommt schließlich noch die binäre Kennzeichnung möglicher Schäden. Aber um all das zu erkennen, muss man entweder den richtigen Prozessor haben oder ein abartiges mathematisches Genie sein.«
In diesem Augenblick trat Rosso von hinten an die beiden heran. »Sie sind wundervoll, nicht wahr?«, flüsterte er.
»Es sind Zahlen«, entgegnete der Beta trocken, und McCrae fragte: »Und was genau ist so ein binäres Gemälde wert?«
Rosso antwortete unverzüglich, obwohl ihm anzumerken war, dass er sich eine andere Reaktion gewünschte hätte. »Genau genommen kaum mehr als den Strom und die Hololeinwand, Ma’am. Sie lassen sich zu einfach kopieren. Das ist ja auch einer der Gründe dafür, weshalb verschiedene Verwertungsgesellschaften sich lange Zeit gegen die Binarisierung der Kunst gewehrt haben.«
Mono grinste. »Diese Bilder sind also zum einen völlig absurd und zum anderen eine Ohrfeige für das Urheberrecht.«
»Falls es sie interessiert, kleiner Mann …«, hob Rosso an.
»Mono!«, zischte der Heavy wütend, ohne dass sein Gegenüber darauf Rücksicht nahm.
»Es gibt auch eine Abteilung für binäre Pornografie …« Rosso zwinkerte dem Heavy unbeholfen zu und wies nach links. Dabei merkte man ihm an, dass er nicht häufig die Gelegenheit bekam, Humor zu simulieren.
»Arschloch«, murmelte Mono und blickte ihrem Kontaktmann nach, als dieser sich nun mit Blick auf seine Multibox zu einer Gruppe Roboter aufmachte, in deren Mitte McCrae einige MT6 ausmachen konnte.
Dann setzte auch der Heavy sich in Bewegung, in der Hoffnung, einer Reihe pornografischer Zahlen etwas abgewinnen zu können.
Fragend wandte van Ghor sich an seine Einsatzleiterin. »Ma’am, denken Sie nicht, wir sollten Kontakt mit Coppola Control aufnehmen und Mr. Rosso zurechtweisen lassen? Er verzögert den Fortgang unserer Mission und gefährdet, wenn Sie mich fragen, ihren Ausgang nicht unerheblich.«
Die Angesprochene grübelte einen Moment lang und schaute dem Söldner dann in die Augen. »Nein, Mr. van Ghor. Ich würde diesen Mann ungern verärgern. Er scheint mir im Inneren dieser Stadt der beste Verbündete, den wir uns überhaupt denken können. Denn er ist am Ende der Einzige, der uns im Ernstfall nicht auf Knopfdruck hassen wird. Vielleicht trügt mich mein Gefühl, aber seine Fähigkeiten und sein Wissen scheinen mir vor dem Hintergrund seines Wesens ein Trumpf, der uns meines Erachtens ruhig auch etwas Zeit kosten kann. Wenn er recht hat, werden wir auch so spätestens in einer Stunde den Absturzort erreichen. Und eine solche Verzögerung wird die Mission gewiss noch verkraften.«
Van Ghor verzog das Gesicht. Er war keineswegs einer Meinung mit seiner Vorgesetzten, wandte langsam den Kopf und beobachtete gemeinsam mit McCrae, wie Rosso begann, die Reparaturbots vor den Gemälden zu begutachten.
Und wie sie dort standen, so andächtig und reglos, erinnerten sie tatsächlich an die Bots aus der Kirche.
»Als ob sie beteten«, murmelte der Raptorbeta.
Schmunzelnd zwinkerte McCrae ihm zu.
»Kunst ist ja auch nichts anderes als Religion, Mr. Claw. Der einzige Unterschied ist, dass man ihretwegen im Lauf der Geschichte weniger Kriege führte.«
In diesem Moment kehrte Mono zurück, wirkte allerdings nicht sonderlich zufrieden.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie wirklich gefunden habe. Aber wenn das tatsächlich die richtige
Weitere Kostenlose Bücher