Roemisches Roulette
Becher mit Brandt-&-Stevenson-Logo ein. “Das ist richtig. Aber wie ich gestern Abend schon erwähnte: Solange Sie oder Ihr Mann nicht angeklagt sind, müssen Sie nicht mit denen reden.”
“Aber wir wollen ihnen doch behilflich sein.”
“Sicher. Ich möchte nur vermeiden, dass Sie sich selbst belasten. Deshalb werde ich versuchen, weitere Befragungen zu verhindern.”
Ich dachte über seine Worte nach. “Haben wir uns gestern denn in irgendeiner Form selbst belastet?”
Tom schüttelte den Kopf. “Die Staatsanwaltschaft hat keine Anklage gegen Sie beide erhoben. Offensichtlich haben die also nichts gegen Sie in der Hand.”
“Detective Bacco meinte, mein Mann hätte etwas anderes ausgesagt als ich. Aber Nick sagt, das stimmt nicht.”
“Die dürfen Sie während der Vernehmung belügen.”
“Also wollte er mich in eine Falle locken?”
“Ja, und das versuchen sie ständig.” Er nahm einen Schluck Kaffee. “Ich habe heute Morgen mit Detective Bacco gesprochen. Er glaubt nicht daran, dass Katherine Ihren Ehemann derart angegriffen hat.”
“Kit”, verbesserte ich ihn.
“Wie bitte?”
“Wir haben sie Kit genannt.”
“Verstehe. Auf jeden Fall hat Bacco eines seiner berüchtigten Bauchgefühle. Er ist überzeugt, dass die Sache stinkt, und deshalb wird er nach dem Übel suchen. Das ist ja auch sein Job. Aber solange er nichts findet, haben wir auch nichts zu befürchten.”
Der Anwalt schien auf einen Kommentar meinerseits zu warten, doch ich schwieg.
“Rachel, gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte? Etwas, worauf Detective Bacco stoßen könnte, wenn er nur tief genug gräbt?”
Ich dachte scharf nach. “Zur selben Zeit, als wir gestern draußen waren, stand ein Mann auf seinem Balkon.”
“Meinen Sie, er hat Ihren Streit mitbekommen?”
“Ich glaube nicht. Seine Wohnung liegt eine Etage unter unserer.”
“Aber ganz offensichtlich konnte er Sie sehen. Ich meine, sie haben ihn ja auch gesehen.”
Mein Magen drehte sich um. “Ich bin nicht sicher, wie viel er sehen konnte. Zum Teil war sein Sichtfeld sicherlich versperrt, aber: Ja. Er könnte etwas von dem Kampf mitbekommen haben.”
“Dann finden die Polizisten ihn ganz bestimmt. Gibt es da etwas, was uns Sorgen bereiten sollte?”
Ich versuchte mich an den Mann zu erinnern, der in einer Hand ein Bier hielt und auf den See hinausschaute. Hatte er sich umgedreht und zu unserem Balkon hinaufgesehen? Hatte er dem Kampf zwischen Kit und Nick beobachtet? “Ich weiß nicht. Ich glaube nicht.”
“Sie wollen heute den Wachmann befragen. Einen Typen namens …” Er warf einen Blick auf seinen gelben Notizblock, “… Hector Vanzuela. Kennen Sie ihn?”
“Kaum. Wir sind erst vor drei Wochen eingezogen.”
“Ruft er für gewöhnlich an, bevor er jemanden nach oben lässt?”
Ich nickte. “Eigentlich schon. Aber ich habe ihn auch schon Leute durchwinken sehen, wenn er sie zu kennen meint. Er hat angerufen, als der Sushi-Bote kam. Vielleicht hat Kit sich ja irgendwie reingeschlichen, als der Wachmann mit dem Auslieferer gesprochen hat. Ich würde es ihr durchaus zutrauen.”
Tom sah mich forschend an. “Kopf hoch, Rachel.”
Ich erwiderte seinen Blick. “Das ist leichter gesagt als getan.”
“Immer einen Tag nach dem anderen”, riet er mir. “Das hat man mir zumindest gesagt, als ich mit dem Trinken aufgehört habe. Denken Sie nicht darüber nach, wie Sie die nächsten Wochen oder Monaten überstehen sollen. Konzentrieren Sie sich immer nur auf den jeweiligen Tag.”
“Ich weiß einfach nicht, wie ich mich verhalten soll; was ich machen soll. Soll ich arbeiten gehen? Soll ich zu Hause bleiben? Was soll ich bloß machen?”
“Das alles sind gute Fragen. Und mein Ratschlag ist: Verhalten Sie sich so, wie es für einen Trauernden üblich ist. Ihre Freundin ist gestorben. Sie dürfen ihren Tod beklagen. Sie
sollten
ihren Tod beklagen.” Er legte seinen Kopf schief, als wollte er seinen Worten besonderen Nachdruck verleihen. “Anscheinend haben die Medien leider Blut geleckt. Ob sie die Spur weiter verfolgen, hängt von den künftigen Geschehnissen und den Ermittlungsergebnissen der Polizei ab. Aber ganz gleich, was Sie tun: Denken Sie stets darüber nach, wie es in den Fünf-Uhr-Nachrichten rüberkäme.”
Ich blinzelte. Binnen zwölf Stunden war mein Leben auf den Kopf gestellt worden. Doch ich wusste ja bereits, wie ich mich unter Beobachtung verhalten musste. Kit hatte mich schließlich über Monate
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