Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
bis ihre Feinde endlich die Haustür eingeschlagen hatten und langsam zu ihr vordrangen. Ungeduldig strich sie über den reich verzierten Kampfstab in ihren Händen, liebkoste das Muster aus geschnitzten Blättern und Runen. Wie unhöflich, eine Dame warten zu lassen!
Endlich, da kam Rynwolf, er schritt an vorderster Front, mit zwei Fackeln in der Hand.
„Zu mir! Die Hexe ist in der Halle!“, brüllte er über die Schulter.
„Willkommen in meinem bescheidenen Heim“, sagte Inani und deutete einen höfischen Knicks an, der beinahe ihren gesamten Körper entblößte. Rynwolf knurrte vor Abscheu, schleuderte dann geballte Windmagie nach ihr. Inani hatte mit Feuerkugeln gerechnet, die Salve traf sie ungeschützt, warf sie mehrere Schritte weit zurück. Schon stand sie wieder aufrecht, schlug mit dem Stab auf die Marmorplatten und setzte machtvolle Erdenergien frei. Die Villa stöhnte, als der Untergrund sich bewegte. Aufschreiend suchten die Priester nach Halt, Inanis Kraft rüttelte an den Fundamenten. Konzentriert hielt sie das Muster aufrecht, es kostete sie viel Energie, das Beben von Roen Orm fernzuhalten und sich gegen den Bann der Priester durchzusetzen. Schweißtropfen brannten in ihren Augen, doch sie ließ nicht los, bis das Muster vollendet war und das Beben erstarb, ohne bleibenden Schaden in den Erdschichten anzurichten.
Sie sah, dass die Geweihten sich aufrichteten, Rynwolf sich erholte, bereit, um zum Gegenschlag auszuholen. Rasch stieß sie die Faust vor, rief: „Sphyfalla!“, und rannte lachend durch einen Vorhang, in einen Gang hinein. Hinter ihr schrien die Männer in Panik, als ein Heer von handtellergroßen, haarigen Spinnen aus sämtlichen Spalten kroch, bereit, sich auf alles zu stürzen, das sich bewegte. Inani kicherte in sich hinein. Es würde einige Minuten dauern bis die Priester mit ihren kleinen Monstern fertig werden würden. Es waren keine wirklichen Spinnen, sondern mit Erdmagie geformtes und belebtes Gestein, völlig unempfindlich gegen die Mächte von Feuer und Luft. Nicht tödlich, aber grauenhaft anzusehen, und ihre Bisse schmerzten sicherlich nicht weniger als bei echtem Getier.
Die qualvollen Schreie der Geweihten hallten durch das leere Haus, Musik in ihren Ohren. Sie wusste, ihr kleiner Zauber würde Janiel nichts anhaben. An ihm liefen die Spinnen vorbei, als wäre er nicht anwesend. Hoffentlich waren seine Brüder zu sehr beschäftigt, um das zu bemerken.
Was würde er selbst dabei empfinden?
Das Rauschen von Flügeln brachte sie zum Lächeln. Kythara und Corin waren ihre Zuschauer heute Nacht, ein beruhigender Gedanke. Es tat wohl, in einem solchen Moment Freundinnen um sich zu wissen!
Sie hörte Rynwolfs Stimme und spürte rasch die Auswirkungen seiner Befehle: Weitere Priester blockierten die Strömungen der Erd- und Wassermagie. Unaufhaltsam spannen sie ein dichtes Netz aus Feuerlinien um das gesamte Haus, schon bald würde Inani keinen Zugriff mehr auf die Pya-Kräfte haben. Zufrieden nickte sie. Zeit, sich ein wenig auszutoben ...
Sie stieß ihren Kampfstab durch eine der unbezahlbaren Fensterglasscheiben. Was für ein schönes Geräusch, dieses splitternde Glas, wie es im Feuerschein funkelte, die mit Goldfäden durchwirkten Bruchstücke, die in den Garten herabregneten.
Mit einem lauten Schrei sprang sie in die Tiefe, schlug den ersten Priester, der sich ihr in den Weg stellte, mit zwei harten Schlägen nieder und wandte sich dann in Richtung Mauer. Das Gelände war abschüssig und uneben, sie befanden sich sehr hoch oben in Roen Orms Felsschichten.
„Die Hexe will fliehen, kommt her!“, brüllte es von allen Seiten. Gleich drei Priester verwickelten Inani in ein Gefecht. Sie musste unentwegt um die eigene Achse wirbeln, schlagen, Schwerthiebe abwehren, ohne Gelegenheit, eigene Attacken anzubringen. Das hier waren gut ausgebildete Sonnenkrieger, keine fetten, ängstlichen Priester wie in Barrand!
Schwere Tritte von unzähligen Stiefeln kündigten die Hauptmacht der Feinde an. Die Falle schnappte zu.
Inani keuchte vor Anstrengung. Mit einer Bewegung, schneller der Blick folgen konnte, hebelte sie einen ihrer Angreifer von den Füßen, brach dem nächsten das Handgelenk, als ihr Stab krachend niederschlug. Schreiend stürzte er zu Boden, während sie nun Gelegenheit hatte, sich neu zu positionieren. Da war er.
Janiel war gekommen.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er sie an, das Schwert in der Hand.
„DU!“, schrie sie, wies mit dem ausgestreckten Finger auf
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