Roen Orm 3: Kinder des Zwielichts (German Edition)
nicht gehorcht, und eines, das zu wenig geschätzt wird. Lass zu, dass Rynwolf mich tötet, ich werde es begrüßen. Oder wende dich mir zu und lerne, wer du wirklich bist“, presste sie mühsam hervor.
Regungslos starrte Janiel auf sie nieder. Alles, was sie sagte, ergab Sinn. Alles. Obwohl es Lügen sein mussten. Wenn es wirklich die Wahrheit war, warum hatte man sie ihm gewaltsam vorenthalten? Warum wollte niemand erkennen, was die Wahrheit war? Warum verkrüppelten die Sonnenpriester sich offensichtlich selbst, schnitten sich von ihren eigenen Möglichkeiten ab und ließen zu, dass die Pya-Töchter sie immer wieder übertrumpfen konnten? Warum nur liebte Inani ausgerechnet ihn, den unfähigsten, bedeutungslosesten Mann dieser Welt?
Ihr verzweifeltes Weinen zerriss sein Herz. Er wollte sie in den Arm nehmen, sie an sich drücken, ihre Wunden heilen und konnte es nicht. Sie war seine Feindin. Sie war eine Hexe. Jedes Wort, das sie sprach, war eine Lüge.
Noch bevor er die Schlacht in seinem Inneren beenden konnte, regte sich plötzlich Rynwolf zu seinen Füßen. Inani atmete hastig und drängte die Tränen zurück. Janiel sprang auf, unfähig zu entscheiden, was er tun sollte.
Langsam erhob sich der Erzpriester, offensichtlich desorientiert. Ohne zu begreifen, was er da sah, starrte er zwischen Inani und Janiel hin und her.
„Hilf mir!“, flehte sie in seinem Bewusstsein.
„WIE?“
„Binde mich an dich, wie ich dich gebunden habe. Brenne mir deinen Namen ein, rufe die Erdmagie in dir wach! Bete zu Pya und Ti, dass ich dein sein soll, dein für alle Zeiten. Du musst mich dafür nicht lieben.“
„Janiel, warum ist die Hexe frei? Was hast du getan, Wahnsinniger?“ Rynwolf schüttelte den Kopf und schubste Janiel aus dem Weg. Er hielt noch immer den Eisenstab in der Hand und hob ihn an, auf Inanis Kopf zielend. „Schluss, du wirst keinen Priester mehr verführen, Hexe!“, rief er drohend.
Janiel handelte, ohne zu denken. Seine Fäuste schossen von allein vor, das Gefüge der Welt beugte sich seinem Willen. Eine Druckwelle von machtvoller Luftmagie traf Rynwolf in der Brust. Der Priester flog mehrere Schritt weit durch den Raum, prallte gegen die Wand, sackte regungslos zu Boden.
Janiel starrte seinen Meister an, ohne zu verstehen, was geschehen war. Erst, als der ältere Mann leise stöhnte und damit zeigte, er war noch lebendig, konnte Janiel sich von seinem Anblick lösen. Er fuhr herum, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Inani stand hinter ihm, zitternd, kaum fähig, sich aufrecht zu halten.
„Entscheide dich“, flüsterte sie. „Fliehe vor seinem Zorn und dem, was du bist. Oder komm zu mir. Du musst mich nicht lieben, du musst nicht mit mir leben. Wenn du es wünschst, kann ich dich an jeden Ort in Enra bringen. Aber unsere Wege werden sich immer wieder kreuzen, egal, was wir tun, um es zu verhindern. Unser Schicksal ist bereits jetzt nicht mehr voneinander zu trennen. Ich will dir zeigen, was in dir verborgen ist, es wird dich befreien, nicht zerstören. Du könntest endlich zu dem Mann werden, der in dir steckt. Du könntest deinem Willen folgen, statt dich von Fanatikern unterdrücken zu lassen.“ Sie schwankte, Janiel fing sie auf und ließ ihren bebenden Körper behutsam zu Boden gleiten. Sein Kopf schmerzte unerträglich, das vertraute Klopfen zwischen seinen Schläfen hatte begonnen, wie jedes Mal, wenn er sich des Weltenmusters bediente und die Macht wieder zurückdrängte, statt sie zu nutzen. Ohne nachzudenken hockte er sich über ihren Bauch, achtete darauf, kaum Gewicht auf ihren zerschlagenen Leib zu legen. Dennoch schrie sie auf und wand sich voller Schmerz unter ihm. Janiel fing ihre Arme ab, drückte sie nieder, hielt ihre schmalen Gelenke fest umfangen.
„Du bist wahnsinnig, Hexe!“, wisperte er keuchend. Dann küsste er sie, mit all der Leidenschaft, die seine widerstreitenden Gefühle entfachten, nahm ihren Mund in Besitz, forschte, drängte, suchte nach ihr, rief nach ihr, voller Verzweiflung und Angst. Er wollte sie niemals wieder loslassen, sie war sein, sie gehörte zu ihm. Sie hatte sich selbst geopfert, um sich ihm zu schenken. Er schrie, als die Schmerzen in seinem Kopf unerträglich wurden, schrie gemeinsam mit ihr.
„Lass es frei, lass einfach los!“, rief sie in sein tosendes Inneres.
„Wie? Ich weiß nicht wie!“
„Verbinde Erde und Feuer, Pya und Ti.“ Sie stöhnte, zuckte matt unter ihm. Er würde sie verlieren, wenn er nicht rasch handelte.
Und
Weitere Kostenlose Bücher