Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Röslein rot

Röslein rot

Titel: Röslein rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
Vom Netzwerk:
allerdings kein heimlicher Dieb, sondern plant keck einen frontalen Raubüberfall.

    Als das Telefon klingelte und der schreckliche Herr Rost anrief, wurde Reinhards Laune auch nicht besser. Er tat mir leid, als er nach dem Gespräch vor sich hin klagte: »Einmal im Leben möcht' i ei Häusle baue, ohne auf die Koschte Rücksicht nehme zu müsse.«
    Endlich gingen die Kinder schlafen. Das war der Moment, auf den Reinhard gewartet hatte. »Sobald es dunkel ist, lege ich mich in deinem Auto auf die Lauer. Es wird höchste Zeit, daß wieder Frieden bei uns einkehrt.«
    Also begab ich mich um elf zur Ruhe; er setzte sich in meinen Wagen, um von dort aus sowohl sein eigenes Auto als auch unsere Haustür im Auge zu behalten. Lieber wäre ich bei ihm geblieben, was er aber ablehnte. Wenn ihm die Delinquentin nicht unbekannt, sondern vielleicht sogar lieb und teuer war, überlegte ich, würde er sie nicht verraten, sondern am nächsten Morgen behaupten, er habe die Nacht umsonst zum Tag gemacht. Und alles nur meinetwegen.

    Ein bißchen mochte ich wohl geschlafen haben, als ich durch das Zufallen der Haustür geweckt wurde. Ich sah auf die Uhr, es war drei, und hörte Reinhards ärgerliche Stimme im Flur: »Was haben Sie sich dabei gedacht?«
    Ich zog hastig einen Bademantel über und schlich barfuß die Treppe hinunter. Reinhard öffnete gerade einer jungen Frau die Wohnzimmertür. Ich folgte.
    Beinahe noch ein Kind, dachte ich, während ich die Ertappte neugierig musterte. Sie kam mir irgendwie bekannt vor; wahrscheinlich wohnte sie ganz in der Nähe, und ich war ihr beim Einkaufen begegnet. Artig gab sie mir die Hand, sagte: »Ich bin die Imke«, und starrte mich mit unschuldigen blauen Kulleraugen an. Ich wußte nicht, was ich von ihr und ihrem Auftritt halten sollte.
    »Wollen wir uns nicht hinsetzen?« fragte ich Reinhard.
    Er sah schrecklich müde aus. »Tun Sie das bitte nie wieder«, sagte er und versuchte, einen gestrengen Ton anzuschlagen.
    Imke heftete den Blick auf ihn und lächelte.
    Ich hakte nach: »Warum stecken Sie meinem Mann nachts Rosen an den Scheibenwischer?«
    Mit angespielter Naivität fragte sie zurück, ob das denn etwas Verbotenes oder Böses sei.
    Nein, aber absolut sinnlos und überflüssig, und bitte schön - warum das Ganze? wollte nun auch Reinhard wissen.
    Imke schien ein wenig ratlos. »Kann ich Sie unter vier Augen sprechen?« fragte sie Reinhard.
    Er habe keine Geheimnisse vor seiner Frau, sagte er korrekt. Aber als sie nun völlig stumm wurde, gab er mir ein Zeichen, und ich huschte hinaus.
    Die Durchreiche zwischen Küche und Wohnzimmer wurde kaum benützt, weil wir im allgemeinen am Küchentisch aßen. In dieses Fensterchen hatte ich ein selbstgemaltes Bild gehängt. Übrigens handelte es sich um eine meiner originellsten Ideen: Ich hatte doppeltes Glas verwendet und jede Seite mit einem eigenen Motiv bemalt. Aber wer achtete schon auf meine Erfindungen. Imke drehte der Durchreiche den Rücken zu; ohne ein Geräusch zu verursachen, nahm ich das Bild ab, zog mir einen Hocker herbei und hatte nun einen Logenplatz zum Mithören und Zusehen.
    Sie habe seine Geste richtig gedeutet, beteuerte Imke meinem Mann, der seinerseits nichts zu begreifen schien; die Rosen seien ihre Antwort auf seine Zeichen.
    Imke war keine auffallende Schönheit, aber durchaus hübsch und jugendfrisch, etwa Anfang Zwanzig. Gekleidet war sie weder wie eine Lolita noch wie eine Madame Pompadour; sie steckte in einem ausgeleierten grauen T-Shirt und weiten Hosen, ihre Bewegungen waren ein wenig linkisch, die hellbraunen halblangen Haare hingen wie Schnittlauch herab. Unbeirrt sah sie Reinhard mit weit aufgerissenen Augen an.
    Anscheinend war mein Mann von so viel jugendlicher Verehrung ein wenig geschmeichelt; trotzdem wollte er eine ihm verständliche Erklärung für die Blumengabe erhalten.
    Vor mehreren Wochen sei sie mit einem Strauß Rosen in der Hand an unserem Haus vorbeigelaufen. Als Reinhard gerade in seinen Wagen steigen wollte, fiel eine Blüte zu Boden. Er habe die Rose aufgehoben und sie angelächelt. In seinen Augen habe sie die Botschaft gelesen.
    »Welche Botschaft?« fragte Reinhard ungläubig.
    »Wir sind füreinander bestimmt«, sagte sie.
    Auf meinem Lauschposten wurde mir schlagartig klar, daß ich ihn von dem Verdacht einer heimlichen Liebschaft freisprechen mußte. Dieses Mädchen tickte nicht richtig.
    »Weil wir uns an einem Montag kennengelernt haben und ich damals einen Strauß gepflückt

Weitere Kostenlose Bücher