Roeslein tot
tun hat. Da gab es genug andere, die ein viel größeres Interesse hatten, den Schladerer tot zu sehen. Der Bauerntrampel da, der Berglmaier zum Beispiel. Eigentlich beide, der Vater und der Sohn. Und mit dem Archivar hatte er auch Streit, habe ich gehört.«
Der Stuhlinger hält es für geboten, der Eisingerin für den Anfang ein bisschen schönzutun: »Da haben Sie natürlich recht. Und dasselbe gilt auch für die Rosenfreunde. Aber ich muss allen Möglichkeiten nachgehen, das verstehen Sie doch sicher?«
»Die Rosenfreunde, na ja. Dieser Herr Sprenger hat sich ja schon einige Male in unsere grüne Wüste verirrt. Ich verstehe nicht, was so ein Mann von Welt hier sucht. Noch dazu hat ihn der Schladerer unentwegt beleidigt. Ich habe es einmal selbst miterlebt, als mein Mann etwas für die Schaufensterdekoration in der Gärtnerei holen wollte. Ich blieb im Auto in der Einfahrt sitzen, aber das ordinäre Geschrei vom Schladerer hörte man bis dorthin. Wenn Herr Sprenger den Schladerer tatsächlich erschlagen haben sollte, dann hätte er sicher bessere Gründe dafür gehabt als dieses dornige Gestrüpp. Wer würde schon wegen einer Rose morden?«
Im Beet beginnt ein Aufruhr. Die Rosen rufen empört durcheinander. »Selbstverständlich mordet man wegen einer Rose! Das ist der triftigste Grund für einen Mord, den es überhaupt geben kann!«, übertönt die Stimme der »Louise Odier« das allgemeine Getöse. Doch weder die Eisingerin noch die zwei Polizisten nehmen diesen berechtigten Einwand zur Kenntnis.
Der Wellmann geht die Sache vom anderen Ende her etwas direkter an. »Wo waren Sie eigentlich in der Nacht, als Herr Schladerer getötet wurde?«
»Ich? Wollen Sie jetzt etwa auch noch mich verdächtigen? Das schlägt ja dem Fass den Boden aus! Schließlich habe ich nicht mit dem Schladerer gestritten. Als dieses unglückliche Gespräch stattgefunden hat – das überhaupt keine Bedeutung hat, da können Sie sicher sein –, da lag ich gerade friedlich schlafend im Gästebett meiner Mutter in Paderborn. Wenn Sie es nicht glauben, dann rufen Sie sie doch an.«
»Dummerweise können Sie Ihrem Mann dadurch auch kein Alibi geben, obwohl Sie sich seiner Unschuld absolut sicher sind. Warum eigentlich?«
»Weil ich meinen Mann ein bisschen besser kenne als Sie. Sie erwarten jetzt vielleicht, dass ich seine Tugenden preise und ihn dadurch noch verdächtiger mache. Aber nein, ganz im Gegenteil. In Wahrheit ist mein Mann ein furchtbarer Feigling. Deshalb hätte er niemals jemanden ermorden können. Übrigens, wollten Sie nicht zufällig die Telefonnummer meiner Mutter haben?«
»Ach ja, bitte.« Der Stuhlinger speichert die Nummer in seinem vorsintflutlichen Handymodell.
»Sie sind also erst am Mittag nach dem Mord hier angekommen«, sagt er dann. »Wenn es in Reindlfing doch Ihrer Meinung nach so viele potenzielle Mörder gibt, ist Ihnen danach vielleicht etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Leider nein. Ich stand den ganzen restlichen Tag im Geschäft. Ich finde nur, der alte Berglmaier ist seit dem Mord noch pampiger als früher. Ich glaube nicht, dass ihn das schlechte Gewissen plagt, so etwas besitzt er gar nicht. Aber vielleicht hat er Angst. Vor Ihnen.«
»Das ist ein interessanter Hinweis. Leider hinterlässt Angst keine greifbaren Spuren. Wir forschen aber weiter nach.«
Die Eisingerin steigt in ihr Cabrio und braust mit wehendem Haar davon.
»Könnten Sie die Mutter von der Frau Eisinger anrufen?«, bittet der Stuhlinger. »Vielleicht erreichen Sie sie ja gleich. Hier haben Sie mein Handy mit der Nummer. Ich werfe solange schon mal einen Blick auf die Wiese vom Berglmaier.«
»Ich will es versuchen. Aber ich weiß nicht, ob ich so ein Steinzeitwerkzeug überhaupt bedienen kann. Es wäre besser gewesen, wenn ich die Nummer auf meinem etwas zeitgemäßeren Gerät gespeichert hätte.«
»Werden Sie bloß nicht frech, Wellmann. Auch wenn Sie einen technologischen Vorsprung haben, wissen Sie nicht alles. In der Praxis kommt es auf Erfahrungswerte an. Sie müssen noch viel lernen. Dinge, die man nicht im Internet oder in Fortbildungskursen mitbekommt.«
Eine eisige Pause entsteht. Jetzt hat der Stuhlinger schon zum dritten Mal zum Wellmann gesagt, er solle bloß nicht frech werden, und den jungen Kerl aus einem völlig nichtigen Anlass zusammengestaucht. Was soll ich davon halten? Ich dachte eigentlich, die beiden mögen sich. Stuhlingers Ausdünstungen stellen eine chaotische Mischung aus Sympathie,
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