Ro'ha: Teil 1 - Vernichtung (German Edition)
die Hand auf die Schulter. Ohne sich darüber weitere Gedanken zu machen, ergriff sie seine Finger und drückte sie leicht. Sie vermisste es, einer anderen Person nahe zu sein.
" Sport hilft - und Gesellschaft. Verbringen Sie nicht so viel Zeit alleine, Lillja, dann vergehen die Träume."
Ihr Abbild spiegelte sich dunkel vor ihr und Lillja sah Cor darüber in die grauen Augen. In dieser schrecklichen Zeit war der Xhar wirklich das, was einem Freund am nächsten kam.
" Haben Ihre Träume inzwischen aufgehört?", fragte sie schließlich.
" Sie sind seltener geworden und der Krieg hat sie durch andere ersetzt. Es ist schlimm, wenn man zu den Überlebenden gehört. Die Erinnerungen folgen wie ein zweiter Schatten und in schwachen Momenten sind sie da und zeigen, was man verloren hat."
Er hörte si ch so schrecklich traurig an, dass Lillja es nicht schaffte zu fragen, wen er verloren hatte. Es musste eine schreckliche Geschichte sein.
" Aber man lebt", sagte sie stattdessen.
" Aber man lebt", wiederholte Cor, löste seine Hand von ihrer Schulter und berührte vorsichtig ihr Handgelenk. "Ihre Art hat sehr… befremdliche Hände - fast unheimlich. Man gewöhnt sich wohl nie an diese Andersartigkeit."
Lillja musste lächeln und drehte sich zu dem Soldaten um.
" Etwas ganz Ähnliches habe ich auch gedacht, als ich auf der Station meinen ersten Xhar gesehen habe - allerdings nicht nur auf die Hände bezogen und berühren wollte ich Dr. Varan auch nicht wirklich. Wie sehen die anderen Spezies aus? Sind sie den Menschen ähnlich? Oder den Xhar?"
" Die anderen?"
" Ja - an meinem ersten Tag haben Sie gesagt, dass diese Quartiere für Alien angelegt wären - Sie sagten nicht für Menschen, also muss es noch andere geben."
Cor lachte leise und nickte. "Rund zwanzig Spezies sind bekannt, davon sind acht etwa auf einer Entwicklungsstufe mit meinem Volk. Mit sechs davon haben wir Allianzen geschlossen. Wenn wir eine Raumstation nennenswerter Größe anfliegen, werden Sie vielleicht ein paar davon treffen."
" Und die weniger Entwickelten?"
" Zu denen halten wir keine diplomatischen Beziehungen - von den Menschen abgesehen, aber das ist eine große Ausnahme."
Schmeichelhaft. "Sind sie denn nicht in Gefahr?" Sie dachte an den schrecklichen Angriff auf ihren Planeten. Es war nur eine Angriffswelle gewesen - was passiert wäre, hätten die Xhar nicht so augenblicklich eingegriffen, wollte sie sich lieber nicht vorstellen. Sicherlich wäre sie dann nicht hier, vielleicht wären sie auch total vernichtet worden.
" Ich weiß darüber kaum etwas", antwortete Cor schließlich. "Aber um Ihre Frage zu beantworten: manche sehen Ihrer Spezies sehr ähnlich, sieht man von ein paar Kleinigkeiten ab. Das Prinzip der Säugetiere war auf ein paar Planeten recht erfolgreich, daher auch ein ähnliches Aussehen."
Er hatte den Blick wieder auf ihre Hand gerichtet, ließ aber nach einem Augenblick von ihr ab und trat einen Schritt zurück. Sein Ausdruck war schwer zu deuten, aber scheinbar fühlte er sich nicht mehr wohl.
"Sie sollten etwas schlafen, Lillja. Wir treffen uns morgen nach dem Frühstück in Frachtraum vier. Ich wünsche Ihnen ein paar schöne Träume."
" Ich Ihnen auch…"
KalaTaan 9
Siran Kaz'Dun war sehr darauf bedacht, den kostbaren Stoff nicht zu zerknittern, als er die dünne Jacke auszog und zusammenlegte. Yndraische Seide gehörte zu den wertvollsten Stoffen die zurzeit gehandelt wurden, denn sie kam ausschließlich auf dem entlegenen Heimatplaneten dieser unterschätzten Spezies vor und gedieh auch dort nur in den wenigen kühlen Zonen des nördlichen Kontinents. Lange Jahre hatte das Imperium der Xhar den Handel zunächst unterbunden, um ihn später zwar zu erlauben, dabei jedoch so streng zu regulieren, dass nur eine Handvoll Personen in diesem Teil des Quadranten ihn ihr Eigen nennen konnten. Siran Kaz'Dun war einer von ihnen – wenn gleich es kein gewöhnlicher Handel gewesen war, der ihm diese seltene Ehre beschert hatte.
Er strich über den dunklen Stoff und gab sich eine m kurzen Moment der Erinnerung hin. Es war ein erfolgreicher Tag gewesen, als die Seide in seinen Besitz gekommen war – ein sehr erfolgreicher sogar. Am Abend und in der Nacht danach hatte er gefeiert und sich allen erlaubten und auch einigen der verbotenen Gelüste hingegeben. Es war der letzte Tag seines alten Lebens gewesen, als er noch ein Günstling des Regimes gewesen war, als er noch den Namen getragen hatte, den seine Mutter
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