Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
besser gesagt, einen Decknamen. Lund hat sich einmal versprochen und den ›Joker‹ erwähnt. Öhman?«
Es war, als zeigte man dem Pawlowschen Hund seinen Futternapf. Reflexartig raste Öhmans Zeigefinger die Zeilen seines bisher nur handschriftlich vorliegenden internen Rapports entlang.
»Wir haben in unserer Kartei acht Personen, die ›Joker‹ genannt werden. Drei konnte ich gleich streichen, die sind inzwischen zu alt. Zwei Joker sitzen wegen Rauschgiftschmuggels und hatten lange keinen Ausgang. Ein Joker wohnt jetzt in Bollnäs und soll bei der Kommune arbeiten. Den können wir eigentlich auch abziehen.«
»Wer einmal gesessen hat …«, gab Sune mit seiner ein wenig schrillen, präzisen Stimme zum besten.
»Natürlich«, reagierte Pelle heftig. »Ruf doch bei der Verwaltung in Bollnäs an. Häng ihn an die erste beste kommunale Laterne. Hauptsache, die Reaktionäre bei der Kripo sind zufrieden.«
Sune schnaufte überlegen und widmete sich dem Tabak. Simon hatte nicht verhindern können, daß Sune in seinem Arbeitszimmer rauchte, aber durchgesetzt, daß er jedesmal brav das Fenster öffnete. Ruda hatte es immer verstanden, die beiden Streithähne auseinanderzuhalten; er verabscheute Konflikte in der eigenen Abteilung. Simon dagegen griff niemals ein. Wenn sie zanken wollten, dann durften sie. Er war nicht dafür, Gegensätze zu verbergen. Aber für diesmal hatte die Sache ein Ende, und Öhman konnte fortsetzen: »Es bleiben zwei Joker übrig. Joker Lindblom und Joker Akermark. Lindblom ist, wie ihr euch vielleicht erinnert, auf Betrügereien mit Postanweisungen spezialisiert. Ein Angsthase, ziemlich harmlos. Bleibt Akermark. Er wurde schon in der Schule Joker genannt, weil er seine Aufsätze mit G. Aker unterzeichnete. Daraus wurde dann Gaker und schließlich Joker.«
»Mein Gott, ist der wirklich mal in die Schule gegangen?« fragte Pelle.
Akermark war eine bekannte Figur, sowohl in der Fahndung als auch in der Abteilung Gewalt. Ein Typ in mittleren Jahren, der alle Argumente in den Fäusten trug. Er hatte keinen Stil und versuchte nicht einmal zu verbergen, daß er nur eine Sprache beherrschte – die der brutalen Gewalt. Man konnte ihn mieten, wenn man jemandem einen Denkzettel verpassen wollte, und zugegebenermaßen verstand es Akermark, effektiv zu mißhandeln. Er hätte noch viel öfter hinter Gitter wandern müssen, aber es gelang ihm meist, Angst zu verbreiten, so daß es niemand wagte, ihn anzuzeigen. Wenn er einmal verurteilt werden konnte, dann nur, weil er auf frischer Tat ertappt worden war.
»Ich denke, wir können uns auf Akermark konzentrieren«, meinte Simon. »Wir fahnden nach ihm. Wo wohnt er?«
»Das wissen wir nicht«, antwortete Öhman, und es mußte ihm weh tun einzugestehen, daß er nicht allwissend war. »Als er vor einem Jahr entlassen wurde, gab er eine Adresse in Nacka an, aber dort hat er nie gelebt.«
Sune notierte den Namen in sein kleines schwarzes Buch und steckte es wieder in die Innentasche.
»Wenn ich ihn sehe, schnappe ich ihn mir. Mehr Zeit werde ich nicht haben, um mich mit dem Fall hier zu beschäftigen.«
»Denk daran, daß es hier auch um deinen Kollegen Rolle geht«, erinnerte Simon leise.
Sune stopfte eine neue Zigarette in das Mundstück. Sein rechter Mundwinkel mußte sich richtig verlassen vorkommen, wenn einmal keine Kippe darin steckte.
»Was hat das denn damit zu tun? Genießen Polizisten bei uns Vorrechte?«
»Darum geht es nicht. Okay, nun wissen wir, wie die Sache aussieht. Ich halte euch auf dem laufenden, und wenn ihr euch ein bißchen anstrengt, um den Joker schnell zum Verhör zu bringen, laß ich euch ohne Disziplinarverfahren davonkommen, ha ha. Rolle, du bleibst bitte noch einen Moment.«
Die anderen gingen, und Simon und ich setzten uns einander gegenüber. Er war jetzt der Chef, und ich gehörte immer noch zum Fußvolk, aber das hatte nichts zu bedeuten. Wir hatten zu viele nächtliche Stunden mit gähnend langweiligen Überwachungsaufträgen gemeinsam verbracht und deshalb keinen Sinn mehr für Formalitäten.
»Wann kann ich wieder in die Wohnung?«
»Die Kollegen sind wohl bald fertig. Spätestens übermorgen. Wie hat Virena die Sache aufgenommen?«
»Sie hat schon glücklicher ausgesehen.«
»Sei vorsichtig. Fährst du heute abend nach Skebo?«
»Nein. Ist noch zu früh. In ein paar Tagen vielleicht. Sie braucht ein bißchen Abstand zu der Geschichte hier.«
»Dann um sieben.«
»Was? Um sieben?«
Er lächelte
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