Rolf Torring 031 - Auf den Pfaden der Inkas
führen, ein Zeichen, daß dieser Übergang vielleicht künstlich schon von den Alten hergestellt war.
Als wir das andere Ufer erreichten, fanden wir tatsächlich einen allerdings sehr schmalen Pfad, der sich fast schnurgerade nach Osten zog.
"Hier bin ich damals nicht entlang gekommen," stellte Thomson fest, „ich drang ungefähr hundert Meter südlicher vor. Dieser Weg scheint direkt auf das Stadttor zu führen, denn ich stieß damals auf die Mauer und mußte mich nordwärts wenden."
"Na dann werden wir ja auch frühzeitig genug von den Bewohnern der Stadt bemerkt werden," meinte Rolf „dann werden wir ja auch sofort sehen, wie sie uns begrüßen. Hoffentlich nicht mit Curarebolzen."
„Ach, hören Sie doch nur auf," rief Thomson, „Sie malen noch den Teufel an die Wand."
„O nein," lächelte Rolf, „ich sehe nur den möglichen Ereignissen ruhig entgegen, das halte ich auf jeden Fall für das beste Prinzip."
Nach ungefähr zehn Minuten war der Urwald plötzlich zu Ende. Wir blieben wie gebannt stehen und blickten auf das Bild, das sich unseren Augen bot. Da stieg vor uns, vielleicht hundert Meter hoch, ein Felskegel empor, der sich allmählich verjüngte, oben an der flachen Spitze aber wenigstens zwei Kilometer Durchmesser haben mochte. Und rings am Rand der Spitze erhob sich eine hohe aus riesigen Steinquadern gefügte Mauer.
„Nun staunen Sie doch," lachte Thomson, „so ging es mir beim ersten Mal auch! Und jetzt bin ich ebenfalls wieder von diesem Augenblick entzückt. Nun müssen Sie erst oben die Stadt selbst sehen, sie ist nämlich, bis auf einen kleinen Teil, völlig erhalten. Leider sind die Häuser aber ganz leer."
„Dann möchte ich nur wissen, wo die Bewohner der Stadt hausen?" meinte Rolf; „innerhalb der kahlen vier Wände doch sicher nicht."
„Da habe ich so meine eigenen Gedanken," sagte Thomson, „sehen Sie die kleinen Öffnungen im Felskegel, ungefähr zehn Meter unterhalb des Mauerfußes? Sehen sie nicht fast wie Fenster aus? Ich bin der festen Ansicht, daß die Nachkommen der alten Erbauer dieser Stadt, deren Alter ich auf mehr denn zehntausend Jahre schätze, im Innern des Felsens wohnen. Und dort werden sie wohl auch den Schatz verborgen haben, über den sie eifersüchtig wachen."
„Dann wird eine Besitznahme der Kostbarkeiten selbst für die Regierung nicht möglich sein." sagte Rolf ernst; „denn der Schatz hat ja dann seine Eigentümer."
„Die ihr Recht aber erst beweisen müssen," meinte Thomson. „Ich glaube nicht, daß die Regierung in dieser Hinsicht eine Rücksichtnahme kennen wird. Höchstens bekommen die Leute eine entsprechende Entschädigung."
„Na, das sieht aber sehr nach Ungerechtigkeit aus," sagte Rolf, „und ich kann meine Teilnahme an der Aufspürung des Schatzes nur damit entschuldigen, daß durch den Fund der Schleier der uralten Inkakultur vielleicht gelüftet wird. Wenigstens würde ich meinen eventuellen Anteil Finderlohn ausschlagen."
„Das würde ich auch, selbstverständlich," rief Thomson. „Ich habe genug zum Leben, brauche keine armen Indianer zu schädigen. Sollen sie später in Ruhe und Frieden ihr Geld verzehren. So, jetzt ist aber genug philosophiert, jetzt heißt es, in die Stadt zu kommen. Anscheinend befindet sich oben kein Mensch, sie werden uns wohl aus den Fensteröffnungen beobachten. Na, dann wollen wir hinauf, wenn es Ihnen recht ist."
Rolf hatte währenddessen die Mauer genau betrachtet. Jetzt nickte er und sagte:
„Ja, wir wollen hinauf. Ich habe auch keinen Menschen dort oben bemerken können. Allerdings müssen wir trotzdem sehr vorsichtig sein."
Ein zwar steiler, aber doch ziemlich bequemer Pfad führte direkt zum Gipfel des Felsens empor. Er schien in den harten Stein hineingehauen zu sein, doch Thomson machte uns darauf aufmerksam, daß die Seitenwände dafür zu glatt waren. Anscheinend hatten also die alten Erbauer der Stadt bei der Schaffung dieses Weges ebenfalls mit dem Geheimnisvollen Mittel gearbeitet, das den eisenharten Stein erweichte.
Wir erreichten endlich die Mauer und blieben vor dem breiten Tor stehen. Früher war die Öffnung vielleicht durch goldene Türflügel verschlossen gewesen, jetzt zeigte sich nur der kunstvolle, aber leere Bogen, dessen Quadern ebenfalls so geschickt gefügt waren, daß man nicht eine Nadel zwischen die völlig winkligen Fugen hätte stecken können.
„Sehen Sie nur, meine Herren," erklärte der Professor, „diese wunderbaren Rundtürme, die den Tempel uns
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