Rollende Steine
niemanden, der noch
schlechter ist als wir. Geben wir’s zu: Wir taugen nichts. Unsere Musik
ist Mist.«
Damit sprach er etwas aus, über das sie bisher geschwiegen hatten –
obwohl es al e wußten. Die übrigen Musiker um sie herum waren ziem-
lich schlecht, doch einige von ihnen besaßen wenigstens etwas Talent. Sie konnten nur nicht spielen. Bei ihnen gab es keinen Schlagzeuger, der
häufig danebenschlug. Bei ihnen gab es keinen Bassisten mit dem natür-
lichen Rhythmus eines Verkehrsunfal s. Außerdem blieben sie bei ihren
Namen. Sie mochten einfallslos sein, wie zum Beispiel »Ein großer Troll
und einige andere Trol e« oder »Hohe Zwerge«, aber sie wußten wenig-
stens, wer sie waren.
»Wie wär’s mit ›Wir sind eine Mist-Band‹?« schlug Noddy vor. Er ließ
die Hände in den Hosentaschen verschwinden.
»Selbst wenn unsere Musik Mist ist…«, knurrte Crash. »Es ist Musik-
mit-Steinen-drin-Mist.«
»Nun, wie läuft’s denn so?« fragte Schnapper und sah sich bei den Mu-
sikern um. »He, was macht ihr denn hier?«
»Wir… äh… gehören zum Programm«, erwiderte Crash unsicher.
»Wie könnt ihr zum Programm gehören, wenn ich nicht einmal weiß,
wie ihr heißt?« Schnapper deutete verärgert zu einem Poster. »Steht dort
vielleicht euer Name?«
»Vermutlich sind wir mit Uhnd andere Kapel en gemeint«, sagte Noddy.
»Was ist mit deiner Hand passiert?« fragte Schnapper.
»Meine Hose hat hineingebissen.« Crash warf Abschaum einen finste-
ren Blick zu. »Im Ernst, Herr Schnapper, kannst du uns nicht noch eine
Chance geben?«
»Mal sehen«, entgegnete Schnapper und schritt fort.
Er war viel zu fröhlich, um sich jetzt auf irgendeinen Streit einzulassen.
Die heißen Würstchen verkauften sich prächtig, doch diesen Einnahmen
kam nur geringe Bedeutung zu. Sie erfül ten al ein den Zweck, gewisse
Kosten zu decken. Die Musik Mit Steinen Drin bot noch ganz andere
Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Manche davon hätte er kaum für
möglich gehalten, obwohl er die ganze Zeit an Geld dachte und in dieser
Hinsicht jede Menge Phantasie hatte.
Zum Beispiel die T-Shirts. Sie bestanden aus so billiger und dünner
Baumwol e, daß sie fast durchsichtig waren, wenn man sie vors Licht
hielt. Beim Waschen mußte man aufpassen, daß sie sich nicht auflösten.
Sechshundert Stück davon hatte Schnapper bereits verkauft! Für jeweils
fünf Dollar! Beim klatschianischen Großhändler kosteten ihn zehn Stück
einen Dollar, und fünfzig Cent pro Exemplar bekam Kreidig für den
Aufdruck.
Der Troll bewies einen für seine Spezies gar nicht typischen Geschäfts-
sinn, indem er eigene T-Shirts bedruckte. Die Aufschrift lautete:
KreiDich
Rennerei 12
Dinnge nach Auftrak
Leute kauften die T-Shirts und bezahlten Geld, um für Kreidigs Laden zu werben. Schnapper hätte nie zu träumen gewagt, daß es in der realen
Welt so zugehen konnte. Was auch immer diese Aufhebung der üblichen
kommerziellen Regeln bewirkt hatte – er wollte das ganze Potential die-
ser guten Gelegenheit nutzen.
Er hatte die Idee dem Schuhmacher Stöpsler im Flickschusterweg* ver-
kauft. Innerhalb kurzer Zeit schritten hundert T-Shirts aus seinem La-
den, wozu die anderen Produkte Stöpslers nur selten fähig waren. Die
Leute wol ten Kleidungsstücke, weil etwas darauf gedruckt stand!
Schnapper verdiente Geld. Tausende von Dollar am Tag! Und vor der
Bühne standen hundert Musikfallen, dazu bereit, Buddys Stimme einzu-
fangen. Wenn es so weiterging… dann war er in einigen Jahrmilliarden
reicher, als er es sich vorstellen konnte!
Lang lebe die Musik Mit Steinen Drin!
Nur eine Wolke trübte das gelbe Schimmern des Glücks.
Das Konzert sol te um zwölf Uhr beginnen. Schnapper beabsichtigte,
zunächst einige der anderen, schlechten Gruppen – das heißt, sie alle –
zu präsentieren und Die Band zum Schluß auftreten zu lassen. Er
brauchte sich also keine Sorgen zu machen, weil sie noch nicht zugegen
waren.
Aber sie waren noch nicht da, und deshalb machte sich Schnapper
Sorgen.
Eine kleine dunkle Gestalt sauste so schnel am Ufer des Ankh hin und
her, daß man sie nur schemenhaft erkennen konnte. Manchmal verharrte
sie für einen Sekundenbruchteil, um zu schnüffeln.
Die Bürger der Stadt bemerkten sie nicht. Im Gegensatz zu den Ratten.
Ob schwarz, braun oder grau: Sie al e verließen die Molen und Kaianla-
gen am Fluß, liefen übereinander hinweg in dem verzweifelten Bemühen,
schnel eine
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