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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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prächtigen Palästen einzufassen gedachte, und hatte im sechzehnten Jahrhundert als Corso gedient, da sie zu jener Epoche die regelmäßigste und schönste Straße Roms war. Man merkte noch jetzt, daß hier einst das elegante Viertel war; nun war es der Stille und Einsamkeit der Vernachlässigung anheimgefallen und von einer Art klerikaler Ruhe und Verschwiegenheit erfüllt. Eine alte Fassade folgte der andern; die Schalterläden waren geschlossen, ein paar Gitter mit Kletterpflanzen umrankt, auf den Thürschwellen saßen Katzen, in den Dependancen waren einfache Kramladen untergebracht, und nur wenige Passanten ließen sich sehen: barhäuptige Frauen, die Kinder nach sich zogen, ein mit einem Maultier bespannter Karren Heu, ein prächtiger Mönch im faltigen Wollengewand, ein geräuschlos dahinfahrender Velocipedist, dessen Maschine in der Sonne funkelte.
    Endlich drehte der Kutscher sich um und deutete auf ein großes, viereckiges Gebäude an der Ecke eines zum Tiber führenden Gäßchens.
    »Der Palazzo Boccanera.«
    Pierre hob den Kopf. Das regelmäßige, vom Alter geschwärzte, kahle und massive Haus machte ihn etwas beklommen. Gleich dem Palazzo Farnese und dem Palazzo Sacchetti, seinen Nachbarn, war es gegen 1540 von Antonio de San Gallo erbaut worden, und wie bei dem ersteren, behauptete sogar die Tradition, daß der Architekt gestohlene Steine aus dem Kolosseum und dem Theater des Marcellus bei dem Baue verwendet habe. Die Fassade, gegen die Straße zu ungeheuer breit und viereckig, bestand aus drei Stockwerken; das erste Stockwerk war sehr hoch, sehr vornehm. Statt jeden Schmuckes ruhten die hohen, wohl aus Furcht vor einer Belagerung mit ungeheuren, vorspringenden Gittern versehenen Fenster des Erdgeschoßes auf großen Konsolen und waren mit Attiken gekrönt, die wieder auf kleineren Konsolen ruhten. Ueber dem monumentalen Eingangsthor mit den Bronzethüren, vor dem Mittelfenster, zog sich ein Balkon hin. Die Fassade schloß gegen den Himmel zu mit einem prächtigen Sims ab, dessen Fries Zeichnungen von bewundernswerter Anmut und Reinheit aufwies. Dieser Fries, die Konsolen und Attiken der Fenster, sowie die Bekleidungen des Thores bestanden aus weißem Marmor, aber dieser war so fleckig, so zerbröckelt, daß er rauh und gelb wie Sandstein aussah. Rechts und links vom Thore befanden sich zwei antike, von Drachen getragene Bänke, ebenfalls aus Marmor; und an einer der Ecken war in der Mauer ein kostbarer, nun versiegter Renaissance-Springbrunnen, ein von einem Delphin getragener Amor, eingelassen. Aber das Relief war kaum noch erkenntlich, so sehr war es abgenutzt.
    Die Blicke Pierres wurden jedoch ganz besonders von einem gemeißelten Wappenschilde über einem der Fenster des Erdgeschoßes angezogen; es war das Wappenschild der Boccanera, ein beflügelter Drache, der in Flammen hineinblies. Er vermochte deutlich die noch vollständig erhaltene Devise zu lesen: Bocca nera, Alma rossa – schwarzer Mund, rote Seele. Ueber einem andern Fenster, als Pendant dazu, befand sich eine jener in Rom noch so zahlreichen kleinen Kapellen, eine in Atlas gekleidete heilige Jungfrau, vor der am hellen Tage eine Laterne brannte.
    Der Kutscher wollte, wie es Brauch ist, in die düstere, gähnende Vorhalle hineinfahren, aber der junge Priester hielt ihn, von Schüchternheit ergriffen, zurück.
    »Nein, nein, nicht hineinfahren,« sagte er. »Es ist nicht nötig.«
    Er stieg aus, bezahlte den Kutscher und trat mit seinem Handkoffer in der Hand unter das Thor und von da in den Mittelhof, ohne einer menschlichen Seele begegnet zu sein.
    Es war ein viereckiger, ziemlich geräumiger und wie in einem Kloster von einem Säulengang umgebener Hof. Unter den düsteren Arkaden waren an den Wänden Reste von Statuen, Marmorfunde aufgestellt – ein armloser Apollo, eine Venus, von der nur noch der Rumpf übrig war, und zwischen den Kieseln, die den weißschwarzen Mosaikboden bedeckten, war zartes Gras aufgeschossen. Es schien, daß die Sonne nie auf dieses von Feuchtigkeit verwitterte Pflaster dringen dürfte. Ueberall herrschte das Dunkel, das Schweigen einer toten Größe und einer unendlichen Trauer.
    Pierre, von der Leere dieses stummen Palastes überrascht, suchte einen Portier, irgend einen Diener, und da er einen Schatten vorüberstreichen zu sehen glaubte, entschloß er sich, ein zweites Gewölbe zu durchschreiten, das in einen kleinen, am Tiber liegenden Garten führte. Von dieser Seite wies die ganz gleichförmige

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