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Rom - Band III

Rom - Band III

Titel: Rom - Band III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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Land entstehen, das zu sein ich euch, jetzt, da ich euch kennen gelernt habe, von ganzem Herzen wünsche!«
    »Das haben Sie gesagt!« rief Orlando. »Das haben Sie gesagt! Dann verzeihe ich Ihnen Ihr Buch, dann haben Sie endlich verstanden. Und das ›neue Rom‹ – da liegt es! Das Rom, das uns gehört, das wir, seiner glorreichen Vergangenheit wieder würdig, zum drittenmal zur Königin der Welt machen wollen!«
    Mit einer seiner weiten Geberden, in die er alles, was ihm vom Leben blieb, legte, wies er auf das ungeheure Panorama, das sich vor dem hellen, vorhanglosen Fenster entfaltete – auf Rom, das sich in der Ferne, von einem Ende des Horizonts zum andern hinstreckte. Unter dem schieferfarbenen Himmel, in dieser so seltenen, winterlichen Trauerzeit nahm die Stadt eine Art höherer Majestät, die schwermütige Größe einer Königsstadt an, die heute noch verfallen, in der trüben Luft stumm und unbeweglich auf das glänzende Erwachen, die allseitig anerkannte, ihr von neuem verheißene Königswürde harrt. Von den neuen Vierteln am Viminal bis zu den fernen Bäumen des Janiculus, von den roten Dächern des Kapitols bis zu den grünen Wipfeln des Pincio lag die Schlagwelle der Terrassen, der Kampanile, der Dome wie ein weiter Ozean da, dessen tiefe, graue Wogen endlos hin und her schwankten.
    Aber plötzlich wandte Orlando, von väterlichem Zorn ergriffen, den Kopf und fuhr den jungen Angiolo Mascara an.
    »Du Bösewicht, Du! Also unser Rom gedenkst Du mit Bomben zu zerstören, unser Rom willst Du wie ein altes, erschüttertes, verfaultes Haus schleifen, um die Erde seiner auf ewig zu entledigen!«
    Angiolo hatte bisher schweigend und leidenschaftlich dem Gespräche zugehört. Auf seinem unbärtigen, schönen, blonden Mädchengesicht zeigte sich die geringste Erregung in plötzlichem Erröten und besonders seine großen blauen Augen hatten gebrannt, als er von dem Volke reden hörte, von dem neuen Volke, das geschaffen werden sollte.
    »Ja,« sagte er langsam mit seiner reinen, musikalischen Stimme, »ja, schleifen, keinen einzigen Stein davon übrig lassen! Aber zerstören, um es wieder aufzubauen!«
    Orlando unterbrach ihn mit zärtlich spöttischem Lachen.
    »Ah, Du wirst es wieder aufbauen! Das ist noch ein Glück!«
    »Ich werde es wieder aufbauen!« wiederholte das Kind, sich erhebend, mit zitternder Stimme, wie ein erleuchteter Prophet. »Ich werde es wieder aufbauen – o, so groß, so schön, so edel! Braucht denn nicht die Weltdemokratie von morgen, die endlich befreite Menschheit eine einzige Stadt, die die Bundeslade, der Mittelpunkt der Welt selbst wäre? Und ist nicht Rom die auserwählte Stadt, die von den Prophezeiungen als die ewige, die unsterbliche, als diejenige bezeichnet wird, in der sich das Schicksal der Völker erfüllen wird? Aber damit sie das bleibende Heiligtum, die Hauptstadt der zerstörten Königreiche werde, in der sich einmal jährlich die Weisen aller Länder versammeln, muß man sie zuerst durch Feuer reinigen und nichts von den früheren Befleckungen in ihr zurücklassen. Dann, wenn die Sonne die Pestilenz des alten Bodens aufgesogen haben wird, dann werden wir sie wieder aufbauen – zehnmal schöner, zehnmal größer, als sie je gewesen. Und was für eine Stadt der Gerechtigkeit und Wahrheit wird endlich dieses seit dreitausend Jahren verkündete, erwartete Rom sein – ganz aus Gold, ganz aus Marmor, die Campagna vom Meer bis zum Sabiner- und Albanergebirge ausfüllend, so glücklich und so weise, daß seine zwanzig Millionen Einwohner nach der Regelung des Gesetzes der Arbeit in unvergleichlicher Daseinsfreude leben werden. Ja, ja, Rom, die Mutter, die Königin, die Einzige auf Erden, bis in Ewigkeit!«
    Pierre hörte mit offenem Munde zu. Was, dahin kam es mit dem Blute des Augustus? Im Mittelalter hatten die Päpste nicht die Herren Roms sein können, ohne infolge ihres uralten Wunsches, die Welt von neuem zu regieren, das gebieterische Bedürfnis nach einem Wiederaufbauen Roms zu empfinden. In jüngster Zeit, als das junge Italien sich Roms bemächtigt hatte, erlag es sofort dem atavistischen Wahn der Weltherrschaft, wollte es seinerseits zur größten aller Städte machen und baute ganze Viertel für eine Bevölkerung, die nicht gekommen war. Und nun waren sogar die Anarchisten in ihrer Umsturzwut von demselben hartnäckigen, diesmal maßlosen Traum der Rasse besessen; sie verlangten ein viertes, ungeheuerliches Rom, dessen Vorstädte zuletzt die Kontinente an sich

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