Roman
der Stadt. Glücklich. Zufrieden. Manchmal.
Ich gab Mrs. Marshalls Frisur den finalen Sprühstoß aus der Haarspraydose und zeigte ihr im Handspiegel die Rückansicht ihrer Frisur. Sie tat, als sei sie superüberrascht, dabei hatte ich sie in exakt derselben Weise gestylt wie immer.
»Okay, wir sind dann weg«, rief Angie. Sie und Rosie waren bereits auf dem Weg zur Tür.
»Einen schönen Abend, Mädels! Vergesst euren Trinkgeldanteil nicht! Ich habe ihn in einem Umschlag auf die Theke gelegt.«
Es war nicht unbedingt Pflicht, das Trinkgeld zu teilen, aber ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie ich mit gut dreißig Pfund in der Woche überleben musste.
»Habt ihr heute Abend was Nettes vor?«, fragte ich.
Was immer es war, ich hoffte, dass Angie in Begleitung einer erwachsenen Person war. Sie erinnerte mich so an Lizzy in dem Alter: unberechenbar, leichtsinnig und ziemlich wirklichkeitsfremd.
Rosie nickte. »Wir gehen ins Kino. Das Schweigen der Lämmer .«
»Ich finde Tierfilme aber langweilig«, maulte Angie.
»Ich auch«, meinte Lizzy. Sie hatte sich nicht verändert.
Sekunden nachdem die beiden Mädchen den Laden verlassen hatten, kam Ginger herein. Noch ehe wir sie sahen, hörten wir das Klirren von Flaschen. Einmal Wodka, einmal Gin, einmal Tonic, dazu zwei Packungen Orangensaft. Und so, wie Ginger aussah, hatte sie uns schon einiges voraus.
Schwankend sank sie auf den erstbesten Stuhl. Leider vergaß sie dabei, die Füße am Boden zu halten, sodass der Stuhl sich dreimal im Kreis drehte, ehe er zum Stillstand kam. Danach war Ginger so schwindelig, dass sie die Blicke, die Lizzy und ich tauschten, nicht bemerkte.
»Und was ist mit euch Mädels? Geht ihr auch ins Kino?«, fragte Mrs. Marshall, als ich ihr in den Mantel half.
Wenn sie tatsächlich über übersinnliche Fähigkeiten verfügte, müsste sie das doch eigentlich wissen, oder?
»Nein, wir feiern heute einen Junggesellinnenabschied.«
»Wie schön! Wer ist es denn? Eine, die ich kenne?«
Ich bemühte mich, Aufregung und Begeisterung in meine Stimme und meinen Gesichtsausdruck zu legen, bevor ich auf eine meiner besten Freundinnen zeigte.
»Ja. Sie.«
Lektion 37
Du kannst deinen Freundinnen nicht vorschreiben, wie sie ihr Leben zu leben haben …
»Ich kann einfach nicht fassen, dass ich morgen um diese Zeit verheiratet sein werde!«
»Ich kann nicht fassen, dass du schon seit acht Monaten verlobt bist«, antwortete ich. »Mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen.«
Das stimmte. Die Erinnerung an den denkwürdigen Abend war noch so frisch und lebendig, als wäre er gerade erst vorüber. Laut Psychologen ein typisches Phänomen bei größeren Katastrophen und schwerwiegenden Traumata …
Es war am Valentinsabend passiert, dem grässlichsten Abend des Jahres, wie ich fand. Meine lebenslange Konfrontation mit der verkorksten Liebesbeziehung meiner Eltern sowie meine eigenen zweifelhaften Erfolge auf diesem Gebiet hatten bei mir eine schwere Allergie gegen Plüschherzen und rote Rosen ausgelöst. Sollte ich diesen Sankt Valentin je persönlich treffen, würde ich ihn unter Dauerbedudelung mit I Just Called to Say I Love You in ein von oben bis unten mit Kitschpostkarten tapeziertes Zimmer sperren.
Seit dem Desaster mit Charlie hatte es für mich nur noch Kurzzeitbeziehungen gegeben. Ein paar Wochen hier und da, und sobald mir einer auch nur das Gefühl gab, an einer engeren Beziehung interessiert zu sein, hielt ich eine kurze »Es liegt nicht an dir, es liegt an mir«-Rede, dann kam der Nächste an die Reihe. Das war sicherer. Weniger kompliziert. Und machte auch noch mehr Spaß. Ich hatte einen Mann für offizielle Zwecke, Kino, Wochenenden und gelegentliche Übungen unter der Bettdecke und meine Freundinnen für Spaß und Abenteuer. Und von mir aus konnte das so bleiben. Wir waren wie Thelma und Louise, nur mit einer zusätzlichen Mitspielerin und ohne den schnuckeligen Cowboy. Wie hieß er noch gleich? Brad Irgendwas. Sicher nur eine Eintagsfliege, aber trotzdem supersüß.
Wo war ich noch stehen geblieben? Stimmt. Freundinnen, ewige Freundschaft, kein Mann konnte zwischen uns kommen.
»Wisst ihr, ich habe das Gefühl, Tom fragt mich heute Abend«, verkündete Ginger, als wir uns auf unser gemeinsames Date vorbereiteten.
»Was denn? Ob du Lust auf ein Nümmerchen hast?« Lizzy grinste. »Das fragt er dich doch jeden Abend. Oder glaubst du wirklich, ihr wärt im Bad zu überhören? Ich will auch gar nicht wissen, wo
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