Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman

Roman

Titel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shari Low
Vom Netzwerk:
jedenfalls noch nie ausgesehen«, sagte er. »Er war eigentlich viel kleiner und nicht so … dunkel.«
    Der Sanitäter hielt die Kompresse in der einen Hand und nahm mit der anderen einen Verband aus seinem Koffer. Wenig später erhob er sich.
    »Lassen Sie das am Montag lieber von einem Arzt abklären«, sagte er. »Das ist sicherer.«
    Red, Ginger und ich ließen Josie zurück, um sich um die Partygäste zu kümmern, und folgten dem zuckenden Blaulicht ins Krankenhaus. Der Schrecken der letzten Stunde hatte uns allen die Sprache verschlagen.
    Erst später wurde mir klar, dass der Abend tatsächlich ein denkwürdiger Abend gewesen war – aber aus herzzerreißend falschen Gründen.

Lous Lektionen für Cassie, wenn sie achtunddreißig Jahre alt ist
    Liebe Cassie,
    es tut mir so unendlich leid. Weißt du, als ich jung war, hat man vermutet, dass sie die Haut früher altern lassen könnten, aber nie hat jemand von Krebs gesprochen. Niemals. Heute weiß das jeder. Wenn du also meine bisherigen Ratschläge ignoriert hast, dann bitte ich dich jetzt inständig, dir wenigstens die wichtigste Lektion von allen zu Herzen zu nehmen: Mach einen großen Bogen um Sonnenbänke! Denn wenn du es nicht tust, ergeht es dir vielleicht eines Tages so wie mir: Du wachst eines Morgens auf und stellst dir eine beängstigende Frage. Was ist, wenn ich nun alles habe … und es ist zu spät?
    Ich liebe dich über alles, mein Schatz.
    Mum

Lektion 141
    Nur drei Dinge im Leben sind sicher: der Tod, Steuern und die Tatsache, dass man nichts ungeschehen machen kann 2008. Lou, achtunddreißig Jahre alt
    Es ist seltsam, der eigenen Sterblichkeit ins Auge zu sehen. Vielleicht ist »seltsam« hier nicht das geeignete Adjektiv. Besser wären wohl »erschütternd«, »beängstigend« oder »beschissen«.
    Ich denke jetzt die ganze Zeit daran. Sobald ich morgens aufwache. Ehe ich abends ins Bett gehe. Wenn du mich anlächelst oder dich weigerst, dein Marmeladenbrot zu essen, weil ich ein Messer benutzt habe, an dem Spuren von Butter waren, du hast es »ganz genau gesehen«. Wenn du weinst. Wenn du nach Hause kommst und dich darüber beklagst, dass jemand in der Schule gemein zu dir war. Wenn deine Klassenlehrerin anruft und sagt, du hättest Klopapierbomben quer über den Schulflur geworfen. Wenn du müde bist. Wenn du traurig bist. Wenn du nicht schlafen kannst. Wenn … eigentlich immer.
    Und ich tue seltsame Dinge – zum Beispiel beim Waschmaschineausräumen weinen. Oder vor mich hin starren, wenn es überhaupt nichts zu sehen gibt. Wie gestern, als ich zehn Minuten in die Betrachtung eines Verkehrshütchens versunken war. Keine Ahnung, warum ich so was mache. Es ist, als ob mein Gehirn plötzlich einfriert, bis irgendein Schimmer Hoffnung oder Optimismus die Synapsen wieder in Gang setzt. Aber das Seltsamste sind die Gespräche, die ich im Kopf mit dir führe, wie das gerade. Seltsam, weil du sie nicht hören kannst, Cassie. Seltsam, weil du nie davon erfahren wirst.
    »Rück ein Stück, Dicke, und lass mich auch sitzen!«
    Ginger stellte zwei Starbucks-Becher mit Skinny Latte auf den Tisch. Einer davon war für Josie. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet – Pulli mit Polokragen, Hose mit Schlag, schwarze Stiefel. So lief sie rum, seit sie sich an einem verregneten Nachmittag einen Fünfzigerjahrefilm nach dem anderen angeschaut hatte. Ich glaube, sie versuchte, den Stil von Audrey Hepburn zu kopieren, dabei sah sie in Wahrheit aus wie ein Ninja-Krieger aus einem Jackie-Chan-Film.
    »Ginger, du bist nicht zu alt, um den Hintern versohlt zu bekommen«, warnte Josie sie. »Auch wenn das Beben deiner Cellulitis vermutlich die ganze Erde erschüttern würde.«
    Ginger war entrüstet. »Ich habe keine Cellulitis!«
    »Doch.«
    »Nein!«
    »Doch!«
    Ich blendete die Unterhaltung der beiden aus und kam zu dem Schluss, dass mein imaginäres Gespräch mit einer Sechsjährigen um einiges niveauvoller und vernünftiger war. Mit einem lauten Klacken rückte der Stundenzeiger der Wanduhr auf die volle Stunde vor. Zwei Uhr. Ich wartete nun seit einer Stunde, aber darüber war ich nicht böse. Im Laufe der Monate, die ich nun herkam, hatte ich gelernt, dass Zeitverzögerung hieß, dass ein Patient vorher eine schlechte Nachricht bekommen hatte. Das brachte den Terminplan meist gehörig aus dem Takt. Schlechte Nachrichten bedeuteten Tränen, Therapiepläne, Strategien und Fragen. Gute Nachrichten hingegen bedeuteten glückliche Patienten, die schnell

Weitere Kostenlose Bücher