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Roman unserer Kindheit

Roman unserer Kindheit

Titel: Roman unserer Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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besorgen.
    Kaum dass sie wieder zu Hause angekommen sind, misst die Mutter, weil es ihr der Herr Professor aufgetragen hat, wieder Fieber. Der Ältere Bruder hat die Prozedur schon im Josephinium auf jene schrecklich peinliche Weise, die dort als die einzig wahre gilt, über sich ergehen lassen müssen. Er spürt, auch der Mutter ist es so, wie es nun gemacht werden soll, nicht recht. Aber Professor Felsenbrecher hat ihr verboten, das Thermometer nur unter die Achsel oder in den Mund ihres Sohns zu stecken. Das sei bloß Laien-Pipifax. Das Gesicht zur Kinderzimmerwand gedreht, würde unser großer Bruder vor Scham und Wut am liebsten mit den Zähnen knirschen. Aber zu verraten, wie sehr ihn das Geschehende geniert, würde es zwischen ihnen beiden nur noch schlimmer machen. Da summt es tief und technisch gut durchs offene Fenster. Er atmet auf, das bloße Hinhorchen tut bereits wohl, und das Vorstellen erlöst ihn vollends aus dem elenden Unbehagen. Er weiß, da draußen ist nun eine riesengroße gelbe Kiste in den Hof gebogen, nicht schnell, aber geschwind genug, um in den engen Kurven lustig ins Schaukeln zu geraten. Jedes Mal, bestimmt auch jetzt, sieht es so aus, als wäre das Chassis über viel zu weiche Federnmit den Achsen verbunden. Und als der Lieferwagen, dessen Wackeln ihn an den Watschelgang eines Clowns erinnert, vor ihrem Aufgang stoppt, verendet sein seltsames Motorgeräusch in einem kurzen, aber lauten Schmatzen.
    Die Post ist da! Das ist der Wagen, der alles heransummt, was nach den strengen, bundesweit verbindlichen Verfahrensregeln nicht in den schwarzen Fahrradtaschen von Wischmann-Waschmann landen darf. Lauschend stellt der Ältere Bruder sich alles ganz richtig vor: Die Kleinen haben ihre Schippen in den Sandkasten geschmissen, um hinzurennen. Der Ami-Michi, der wegen der besonderen Zigaretten seiner Mutter, die nicht im Automaten am Eck vertreten sind, bei Tabak-Geistmann war, ist dem großen Elektromobil mit dem Fahrrad schon den Kreuztöterweg hinunter und dann in den Drosselgrund hinein gefolgt, jetzt rollt er links neben das Fahrerhäuschen und fragt den Postchauffeur durchs offene Seitenfenster, wem er denn etwas bringen wolle. Der Fahrer gibt die Frage an seinen Beisitzer weiter. Der winkt den Ami-Michi um die Windschutzscheibe zu sich herüber, steigt aus und stemmt die große Schiebetür bis zum Anschlag auf – viel weiter, als nötig wäre, um das Paket herauszuholen. Er weiß, dass die Kinder in den Bauch des Wagens gucken wollen. Er klettert sogar hinein, obwohl die fragliche Sendung auch mit einem Hineinbeugen zu erreichen wäre, und schichtet, was noch in der Neuen Siedlung auszuliefern ist, ein bisschen um. Und als der Ami-Michi ihm, wie er es schon beim letzten und beim vorletzten Mal getan hat, hinterherruft, wo denn genau die Batterien des Elektroautos verborgen seien, stampft der Postler mit dem Absatz seines rechten Dienstschuhs so fest auf den Boden des Laderaums, dass man den Hohlraum dröhnen hört.
     
    Ich horche ungern hin. Das Hohle ängstigt meine bläschenzarte Winzigkeit. Aber schon stehen mir und meinem Bangen die superschweren Batterien aus Blei und Kupfer bei. Wieder gelingt es den tiefschwarz lackierten Speicherkästen des Mobils, dem Vakuumsog meines Fürchtens die besondere Tüchtigkeit ihrer geballten Masse entgegenzusetzen. Die Kinder brauchen dergleichen Hilfe nicht. Ohne dass sie an irgendeine schlimme Leere denken müssten, tut allen im Hof immer wieder gut, wie dieser Stromwagen durch meinen Sommer summt. Der nette Elektropostler legte das flache Paket dem Ami-Michi auf Hände und Unterarme und ließ es ihn bis an die Wohnungstür tragen, allein das Klingeln übernahm er selbst. Die Mutter sagte, die Sendung sei eigentlich für ihre Kleinen, aber auch für ihren Großen komme sie goldrichtig. Der Ami-Michi, den sie als Einzige der Mütter ausnahmslos mit seinem ungekürzten Doppelnamen, mit Hans-Michael anredet, solle nur hereinkommen, die Zwillinge seien im Bad.
    Wie alle Freunde weiß der Ami-Michi längst, dass die beiden stets gemeinsam aufs Klo marschieren. Sogar wenn sie auf den Wiesen des Spielplatzes oder am Rosenhang die Blase drückt, treten sie Schulter an Schulter in die Büsche. Und wenn sie zu Hause die Badtür hinter sich verriegeln, dauert es ewig, bis man sie wiedersieht, weil sie sich in der Regel etwas zum Studieren mit hineingenommen haben. Während er das Paket in die Küche trägt, stellt sich der Ami-Michi vor, wie der eine am Rand

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