Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roman unserer Kindheit

Roman unserer Kindheit

Titel: Roman unserer Kindheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
Vom Netzwerk:
krachen. Der Deckel sprang ab und kullerte über den Sandkastenrand den staunenden Zwillingen vor die Sandalen.
    Zum zweiten Knockout kam es, als sie von den Huhlenhäuslern und deren Kumpanen beim Fußballspielen auf der hinteren Spielplatzwiese überfallen worden waren. Der Ami-Michi und die anderen Freunde waren sich sogleich einig, dass man den Ball als Beute liegen lassen musste. Es war bloß eine alte Plastikkugel, die Huhlenhäusler würden ein Weilchen damit herumbolzen und ihre Eroberung mit einem letzten Schuss irgendwo im Gebüsch versenken. So hielten sie es damals bereits mit allen erbeuteten Bällen. Sie hatten keinen einzigen mehr zu klauen gewagt, nachdem Frau Böhm im buckligen Polizeiauto vor dem türkisen Block erschienen war, um den schönen, gelbgepunkteten Geburtstagsball von Sybilles kleiner Schwester aus einer der Huhlenhäusler-Wohnungen zu befreien. Im Wegrennen guckte der Ami-Michi über die Schulter und sah, dass der Ältere Bruder stehen geblieben war. Ausgerechnet mit dem Weißling wollte er verhandeln. Der Wolfskopf behauptete später, er hätte ihn sogar noch «Moment mal, Achim!» sagen hören.
    In beiden Fällen ist unser großer Bruder nur kurz bewusstlos dagelegen. Aber beim zweiten Mal kam den anderen die kleine Besinnungslosigkeit doch bedenklich lange vor, weil sie, gemeinsam auf sein Wiedererwachen wartend, sein rotverschmiertes Gesicht studieren mussten. Der Weißling warnur einen Halbschritt vorgetreten, hatte scharf genickt und die höckrige Huhlenhäuslerstirn auf die Nase seines wortgläubigen Gegenübers knallen lassen. Das hell hervorschießende Blut hatte die Bande sogleich wieder verscheucht. Sogar der Ball blieb mitten auf der Wiese liegen. Die Freunde konnten also weiterkicken. Sie nahmen einfach den alten Spielstand auf. Der Ältere Bruder ging, weil er noch ein bisschen wackelig auf den Beinen war, erst einmal in eines der Tore, die sie mit Ästen abgesteckt hatten, die von den Angreifern entgegen dem gewohnten Brauch nicht umgetreten worden waren. Ab und zu tupfte er sich die Nasenlöcher mit dem Taschentuch, das ihm der Schniefer fürsorglich ausgehändigt hatte. Die Augen aber musste er sich, darauf ginge der Ami-Michi nun, vor dem Schrebergartenhäuschen, jede Wette ein, genauso wenig wischen wie nach seinem ersten Zu-Boden-Gehen.
    Der Wolfskopf fasst sich ein Herz und fragt unseren großen Bruder, ob ihm die Ferse wieder wehtut. Aber der antwortet nicht, kriegt keinen Pieps heraus, guckt nur verstockt. Erst als Sybille die Frage wiederholt, schüttelt er den Kopf, in dem ihm die Gedanken so laut um das Empfundene brummen, dass er befürchtet, die anderen könnten das Getöne hören. Erzählen kann er es ihnen nicht. Allerhöchstens in eine von vorn bis hinten erfundene Geschichte würde sich fügen, was ihm eben auf der Leiter zugestoßen ist. Kaum dass er das erste Querholz in den Fäusten hielt, war ihm von unten, aus dem unteren Bauch, eine Mordsangst in den Magen und dann weiter in die Brust gestiegen, eine grundlose Mordsangst, die jetzt noch in seinen Fingerspitzen zittert. Die anderen sollen dieses Zittern nicht mitbekommen. Sie haben schon zu viel gemerkt. Jetzt kann er sich nur noch mit einem heftigen Vorstoßaus der Zwickmühle ihrer Blicke retten. Obwohl er am liebsten hier sitzen bliebe, hier auf dem vom Ami-Michi mit einem kleinen amerikanischen Spindelmäher stoppelkurz gekappten Gras, schlägt er den anderen etwas vor: Nachgucken, was ihr verrücktes Sofa macht! Zweimal hat es schon seinen Platz verändert. Es sollte ihn nicht wundern, wenn sie es gleich zum dritten Mal an einem neuen Standort fänden.
     
    Der Mann ohne Gesicht kocht sich Kaffee zum zweiten Frühstück. Der Tag ist schon recht lang. In aller Frühe, im ersten grauen Morgenschimmer ist er aufgebrochen, um an den Rosenhang zu schaffen, was der Fehlharmoniker gestern Abend zu ihm in den Drosselgrund getragen hatte. Nicht ohne Stolz hatte der Musiker ihm berichtet, wie er an die Dinger gekommen war. Dem Sachwert nach war es eine kleine, wirklich lässliche Entwendung. Dennoch musste er mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen. Sputnik stand mit gespitzten Ohren Schmiere, während er die beiden ungünstig langen Objekte noch an Ort und Stelle in eigens hierfür angeschafftes Packpapier einschlug und sie mit reichlich Bindfaden zu einer Art Paket verzurrte. Fräulein Schößler, die sich für jeden Krümel Straßendreck, für jede Fluse auf ihrem Flur verantwortlich fühlt, würde

Weitere Kostenlose Bücher