Roman
Zukunft geschmiedet und hatte das Leben als völlig unbeschwert empfunden. Wo waren sie nur geblieben, ihre Träume, ihre Ideen, ihre Unbeschwertheit – und vor allem ihr Mut? Was die anderen über sie dachten, war ihr früher vollkommen gleichgültig gewesen.
Kristina klappte das Fotoalbum zu. Ihre Ehe mit Peter hatte schon lange vor der Scheidung erheblichen Schaden genommen. Die endgültige Trennung hatte nur einen Schlussstrich unter eine Beziehung gesetzt, die längst zu Ende gegangen war. Kristina hatte die Scheidung eingereicht, als ihr klargeworden war, dass Peter ständig Affären gehabt hatte. Nichts Bedeutendes, so hatte er seine Seitensprünge genannt. Aber als sie ihn gefragt hatte, warum er nicht die Finger von anderen Frauen lassen konnte, war ihm keine plausible Antwort eingefallen.
Irgendwann zu dieser Zeit hatte Kristinas Selbstbewusstsein einen ziemlichen Kratzer abbekommen. Der anfangs kleine Riss war über die Jahre immer größer geworden. Aber warum hatte sie es so weit kommen lassen? So kann es jedenfalls nicht weitergehen, überlegte sie.
Abrupt sprang sie auf und stellte die beiden Fotoalben zurück in den Schrank. Es wird sich einiges ändern, schwor sie sich im Stillen. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ohne nachzudenken, öffnete sie nun die Kiste, auf der sie gesessen hatte. „Da ist er ja!“, jubelte sie. Hier hatte sie den Grundriss vom Haus also verstaut. Sie beschloss, ihn in den nächsten Tagen bei Tom abzuliefern. Der Umbau war ein gutes Signal, um einen Neuanfang in ihrem Leben einzuläuten.
Mit dem zusammengerollten Plan unterm Arm ging sie die Treppe hinauf, legte sich ins Bett und schlief augenblicklich ein.
5
Am nächsten Tag blieb Kristina kaum Zeit zum Durchatmen. Rita hatte ihr den Tag mit Behandlungsterminen so vollgepackt, dass sie keine ruhige Minute fand, um Tom anzurufen. Am Abend machte sich außerdem der fehlende Schlaf bemerkbar. Und da weder Sophie noch ihr Vater auftauchten, legte sie sich schon um kurz nach neun Uhr ins Bett und schlief erschöpft ein.
Morgens wachte sie ausgeruht auf. Es war erst kurz vor sieben Uhr, zu früh für einen Anruf bei Tom. Also nahm sie das Mobiltelefon, das auf ihrem Nachttisch lag, und tippte eine SMS. Sie dachte an das unglaubliche Tempo, mit dem ihre Tochter Nachrichten schrieb. Dagegen bewegten sich ihre Finger wie in Zeitlupe. Doch nach einiger Zeit war es geschafft, und sie las sich den Text noch einmal durch, bevor sie die SMS abschickte: Habe Plan gefunden. Kann ihn dir vorbeibringen. Wann? LG Kristina
Prompt piepste ihr Telefon. Toms Antwort lautete: Bin leider bis übermorgen in Hamburg. Freitagabend Essen bei mir? Um 20.00 Uhr? Ich freu mich :) LG Tom
Kristina bemerkte, wie ihre Finger zitterten. Oh, Gott, sie hatte tatsächlich ein Date! Bevor sie es sich anders überlegen konnte, schrieb sie schnell eine Antwort: OK. Freu mich auch.
Drei Tage waren es noch bis dahin. Also kein Grund, heute schon durchzudrehen, schärfte sie sich ein und sprang fröhlich aus dem Bett.
Eine Stunde später stand sie gut gelaunt in ihrer Praxis vor Rita.
„Da ist doch was im Busch. Gibt es etwas, das ich wissen sollte?“, fragte ihre Freundin sofort. „Raus damit!“
„Tom hat mich am Freitagabend zum Essen eingeladen“, platzte Kristina heraus. „Und ich habe jetzt schon Lampenfieber.“
„Ja!“, schrie Rita, sprang vom Stuhl auf und umarmte sie. „Ja, ja, ja! Ein Ded-a-ded!“
„Wenn ich dieses Tête-à-Tête noch erleben soll, dann solltest du mich nicht erdrücken“, japste Kristina, die kaum Luft in Ritas Armen bekam.
Endlich gab Rita sie frei und erklärte: „Wir müssen strategisch vorgehen. Ich werde allen Patienten, die am Freitagnachmittag kommen wollten, neue Termine geben, damit du genug Zeit hast, um dich hübsch zu machen. Dann musst du zur Kosmetikerin und zum Friseur.“ Sie setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und schlug den Kalender auf. „Das dürfte kein Problem sein.“
„Wenn du meinst“, willigte sie ein.
„Und ich bleibe und helfe dir. Es muss ihm den Atem verschlagen, wenn du vor ihm stehst.“
„Langsam, langsam. Ich bin bloß wegen des Umbaus mit ihm verabredet. Mehr nicht.“
„Du hast Sendepause“, sagte Rita streng und versuchte erfolglos, ihr Gesicht in Falten zu legen. „Ich weiß allerdings nicht, ob Dr. Sommerfeld dich morgen noch dazwischenschieben kann. Er ist normalerweise auf Wochen ausgebucht.“
„Vergiss es“, wehrte Kristina ab. „Ich werde mit
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