Roman
oder Aufziehleine würde sie wie eine Nabelschnur mit dem Flugzeug verbinden, wodurch sie den Fallschirm wenigstens nicht selbständig öffnen musste. Aber das galt nicht für den Reserveschirm, falls der Hauptschirm versagen sollte.
„Das passiert nicht. Aber ihr müsst natürlich wissen, was zu tun ist, falls der Hauptschirm ausnahmsweise streiken sollte“, erklärte Serengeti. „Wenn beim Zusammenlegen geschludert wurde, dann merkt ihr das spätestes daran, dass der Hauptschirm zwar aufgeht, aber dabei ein Brötchen entsteht. Das bedeutet, dass sich eine Fangleine über den Schirm gelegt hat und er sich nicht vollständig öffnet. In dem Fall braucht ihr den Reserveschirm. Passiert aber nicht. Denn wir Springer packen immer den Schirm eines anderen. Höchste Konzentration, ihr versteht, und absolutes Vertrauen.“ Er musterte seine kleine Truppe. „Wenn also der Hauptschirm ausfallen sollte, ist das auch kein Problem. Ihr zieht dann an diesem Griff, und dadurch wird der Reserveschirm ausgelöst. Aber damit der hübsch aufgeht, müsst ihr ihn langsam in die Luft füttern.“
„Na klar, nichts leichter als das, einfach in den Wind füttern“, meinte Kristina voller Sarkasmus. Sie war definitiv im falschen Film gelandet. Die Anweisungen dazu, was sie beim Versagen des Fallschirms tun sollte, kamen ihr geradezu absurd vor. Sie würde nämlich die Besinnung verlieren, das stand fest.
Serengeti schien ihre Gedanken zu lesen. „Ihr ahnt ja gar nicht, wie klar ihr in der Birne seid, wenn’s um euer Leben geht.“ Damit war für ihn das Kapitel beendet, und er demonstrierte ihnen den Gebrauch des Höhenmessers. „Den hier tragt ihr wie eine Uhr am Handgelenk. Ein zweiter ist im Helm eingebaut. Funktioniert wie das Navi im Auto. Ihr macht einfach, was ihr gesagt bekommt“, meinte Serengeti und schenkte ihnen ein sardonisches Grinsen. „Und keine Sorge: Runtergekommen ist noch jeder.“
„Ich muss mal“, meinte Kristina und verschwand erneut auf der Toilette.
Danach folgten Übungen zur Landung, wofür die Schüler auf eine schlichte Holzbank steigen und herunterspringen sollten.
„Das Einzige, woran ihr beim Landen denken müsst, ist, die Beine anzuwinkeln. Wenn ihr zu schnell runterkommt, dann rollt euch am Boden zur Seite ab. Knie beugen! Sonst rammt es euch ungespitzt in den Boden.“
Lehrer und Schüler schienen sich über diese Vorstellung köstlich zu amüsieren. Ausgenommen Kristina.
„Ich muss mal“, sagte sie und verdrückte sich ein weiteres Mal.
Sandra erwartete sie an der Tür. „Hast du dir die Blase verkühlt?“
Allmählich kam in Kristina das Gefühl auf, Sandra und Paul hätten sie irgendwie auf subtile Art und Weise in ihre Gewalt gebracht und sie sämtlicher Rechte beraubt. Warum verdammt noch mal wehrte sie sich nicht?
„Geh nur so oft, wie du eben musst. Dann pinkelst du wenigstens oben nicht vor Schreck in den schicken Overall“, sagte Sandra mit einem frechen Grinsen. „Der Anzug steht dir übrigens verdammt gut. Und die beiden da“, fuhr sie fort und deutete dabei auf zwei Männer in Overalls, „finden dich total cool. Also mach mir keine Schande.“
Kristina entdeckte zwei junge Männer in hautengen Springeranzügen, die zu ihr herübersahen. Sie straffte die Schultern und wackelte mit hocherhobenem Haupt zurück zu ihrem Kurs. Als Nächstes bekamen alle einen Rucksack, in dem sich der lebensrettende Schirm befand. Beim Umschnallen und Befestigen half ihr Paul, während Serengeti und ein paar der erfahrenen Springer den Männern zur Hand gingen. Dabei rissen sie dämliche Witze, was Gemächte und sonstige wichtige Anhängsel betraf, die korrekt zwischen zwei Gurtriemen gepackt werden mussten, damit das Allerheiligste den Sprung auch unbeschadet überstand.
Kristina konnte der fröhlichen Stimmung unter den Männern nichts abgewinnen. Angesichts der bevorstehenden Heldentat kamen sich ihre Leidensgenossen ganz offensichtlich wie beinharte, kaltblütige und zielorientierte Einzelkämpfer vor. Warum sprang davon nicht ein bisschen zu ihr über?
„Diese Schafsköpfe denken nur an ihre Klöten, aber hier geht es doch um Sein oder Nichtsein“, sagte sie zu Sandra.
„Na ja, hängt vom Standpunkt ab, würde ich sagen. Wenn du ein Kerl wärst, würdest du auch nicht gerne enteiert werden, oder?“
Dazu fiel Kristina nichts mehr ein.
Serengeti ließ seinen Blick über seine Anfänger schweifen. „So, ihr glorreichen Sieben, jetzt wird’s ernst.“ Er teilte die
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