Romana Exklusiv 0176
ein solches kleines Biest wie dich ständig um sich haben?“
„Nun, das hast du doch!“, wütete sie. „Ich gehöre jetzt zur Familie, Gideon.“
„Was für ein Glück, dass ich das nächste Jahr in Amerika verbringen werde, fern von meiner Familie.“
Ohne ein weiteres Wort verließ er sie, und bald hörte sie Gesprächsfetzen und Gideons lautes Lachen aus der Lounge zu ihr dringen.
Während des Dinners an diesem Abend sprachen sie nur das Nötigste miteinander. Die nächsten Tage waren Merrys schlimmste Zeit, seit sie Gideon kennengelernt hatte. Sie begriff immer mehr, dass sie ihm nichts bedeutete. Sie hatte sich zwar darauf eingestellt, ihn nur noch selten zu sehen, wenn sie erst wieder in England waren. Aber niemals war ihr der Gedanke gekommen, er könnte das Land für ein ganzes Jahr verlassen.
Ein Jahr war eine unendlich lange Zeit. Wie sollte sie diese zwölf Monate überleben, ohne Gideon zu sehen, ohne zu wissen, wann er zurückkäme? Sie hatte gehofft, dass sie ihm öfters im Hause von Anthea und Samuel begegnen würde, da sie doch Antheas Tochter war.
Gideon jedoch war völlig unabhängig von familiären Bindungen. Sein Aufenthalt auf der Yacht war eine Art Urlaub gewesen. Nun wollte er sich wieder seiner großen und einzig wahren Liebe widmen: dem Film.
In dieser Nacht wurde Merry wieder seekrank. Oder war es nur der Kummer um Gideon? Jedenfalls fühlte sie sich schrecklich. Je näher sie England kamen, umso schlimmer wurde es, denn das Passieren der Biscaya, wo rauer Seegang an der Tagesordnung ist, war kein Vergnügen.
Anthea verbrachte in diesen letzten drei Tagen viel Zeit mit ihrer Tochter. Gideon ließ sich nicht blicken, und Merry war fast froh darüber, dass er sie nicht zum Abschluss der Reise in diesem desolaten Zustand sah.
Während eines ihrer vielen Gespräche fragte Merry ihre Mutter, wer ihr Vater gewesen sei. Es kostete Anthea Überwindung, darüber zu sprechen.
„Ich war sehr dumm. Ich habe für das, was geschah, auch keine Entschuldigung. Ich verliebte mich in einen verheirateten Mann. Als ich schwanger wurde, habe ich keineswegs versucht, ihn unter Druck zu setzen. Ich bildete mir ein, er liebte mich auch, und glaubte, er würde seine Frau verlassen, sobald er von meiner Schwangerschaft erfuhr.“
„Aber das hat er nicht getan?“
„Nein.“ Anthea seufzte. „Er sagte mir, ich sei ein albernes Ding, und strich mich aus seinem Leben. Ich habe ihn niemals wiedergesehen.“
„Wie schrecklich!“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich mache ihm keinen Vorwurf daraus. Ich war zwar erst siebzehn, aber naiv war ich nicht. Er glaubte, ich hätte Erfahrung …“
„Mit siebzehn?“
Anthea zuckte die Schultern. „Das ist doch gar nicht so ungewöhnlich. Damals nicht und heute erst recht nicht. Alan – so hieß er – glaubte, ich hätte Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Aber mir war dieser Gedanke nie gekommen.“
Unsicher stellte Merry ihre nächste Frage. „Hast du jemals daran gedacht, mich zu behalten?“
„Natürlich habe ich das! Ich habe nächtelang darüber gegrübelt, Merry. Aber ich hatte nichts, keine Familie, kein Geld, keine Möglichkeit, mich und ein hilfloses Baby durchzubringen. Es hat mir das Herz gebrochen, dich fortzugeben, aber ich habe es getan. Ich wollte das Beste für dich. Du solltest Eltern haben: eine Familie, eine behütete Kindheit.“
„Ich habe das alles gehabt. Ich habe es wirklich gehabt. Aber was hattest du?“, fragte Merry mit tränenerstickter Stimme.
„Zuerst“, sagte Anthea bedrückt, „hatte ich gar nichts. Nur die Erinnerung an ein wunderhübsches, schwarzhaariges Baby.“ Sie lächelte wehmütig. „Aber langsam bekam ich mein Leben wieder in den Griff. Ich belegte einen Sekretärinnenkurs, verschaffte mir Qualifikationen. Und nie wieder ließ ich einen Mann in mein Leben. Bis ich Samuel begegnete.“ Ihr Gesicht nahm einen zärtlichen Ausdruck an. „Ich wurde seine persönliche Sekretärin. Aber er war vom ersten Augenblick entschlossen, dass es nicht dabei bleiben sollte.“
„Du liebst ihn.“
„Sehr. Aber als ich anfing, für ihn zu arbeiten, war ich so misstrauisch wie bei jedem anderen Mann. Samuel kann sehr hartnäckig sein, sehr überzeugend. Schon bald merkte ich, dass ich ihn liebe. Aber es hat eine Weile gedauert, bis er mich zur Heirat überreden konnte.“
„Ich bin sehr froh, dass du glücklich bist.“
„Glaubst du denn, ich habe dieses Glück verdient?“, fragte Anthea und sah ihre Tochter ernst
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