Romana Exklusiv 0187
heiß.“
„Ich mag keinen schwarzen Tee“, erklärte Tansy empört. Sie setzte sich an den kleinen Tisch, nahm den Becher, den Leo ihr zuschob, und trank. „Was wollen Sie?“, fragte sie, als das Schweigen unerträglich wurde.
„Ich habe gestern Nacht die Beherrschung verloren“, erwiderte Leo gelassen. „Keine Ahnung, warum, aber Ihnen gelingt es mühelos, mich so weit zu bringen. Anstatt hochzugehen, hätte ich Sie fragen sollen, wie ich Sie überreden kann, mir Rickys Aufenthaltsort zu sagen.“
Tansy schaute Leo starr an.
„Wenn Sie nicht auf der Straße und in Arabellas Café singen müssten, würde alles sehr viel einfacher für Sie sein, stimmt’s? Deshalb … werde ich Sie für die Information, die ich haben will, bezahlen.“
Das Muster auf der zerkratzten Tischplatte schien plötzlich vor Tansys Augen zu tanzen. Sie stellte den Becher ab. Draußen bog ein Autofahrer zu schnell um die Ecke. Reifen quietschten. „Was genau schlagen Sie vor, Mr. Dacre?“
„Dass ich Sie von Ihren Geldsorgen befreie. Und um Himmels willen, nennen Sie mich Leo! Ich war wütend, als ich Sie beleidigte, und das wissen Sie.“
„Geld“, erwiderte Tansy verächtlich. „Dreißig Silberstücke, wenn ich Rick verrate?“
Leo verbarg seinen Ärger besser als sie. „Werden Sie nicht dramatisch. Ob man etwas als Verrat ansieht, hängt davon ab, wo man steht, oder?“
„Ich weiß, wo ich stehe, und meine Antwort ist nein. Nicht einmal die Aussicht auf viel schönes Dacre-Geld bringt mich dazu, Ihnen zu sagen, wo Rick ist. Sie haben es vergeblich mit Einschüchterung, Drohungen und Verführung versucht, und jetzt, da ich Ihr Geld abgelehnt habe, gibt es nichts mehr, was Sie sonst noch tun könnten. Gehen Sie.“
Leo rührte sich nicht. Seine Miene war ausdruckslos. „Und das ist Ihr letztes Wort?“, fragte er ruhig.
„Ja.“
„Na schön.“
Tansy zitterte immer noch am ganzen Körper, als das Motorengeräusch von Leos Auto schon längst verklungen war. Warum fühlte sie sich nur so betrogen? Weil sie trotz allem gehofft hatte, dass Leo sie … ein bisschen mochte. Tansy lächelte sarkastisch. Dumm!
Er hatte nicht die Beherrschung verloren und sie nicht angeschrien. Und der eiserne Wille, mit dem Leo Dacre seine Wut unterdrückte, machte ihr Angst.
Nun, wenigstens war er fort. Er würde an diesem Tag noch nach Auckland zurückfahren, und obwohl er fuchsteufelswild auf sie war, würde er sich bei ihr melden, wenn sich der Zustand seiner Stiefmutter verschlechterte.
Bitte, dachte Tansy, lass es Grace Dacre allen zuliebe gutgehen.
Sie wollte nur zurück ins Bett, sich die Decke über den Kopf ziehen und schlafen, bis alles vorbei war: ihre hoffnungslose Zuneigung zu diesem Mann, das Gefühl, von ihm verraten worden zu sein, und ihre heftige Furcht.
Aber sie musste arbeiten. Sie kippte den Pfefferminztee in die Spüle, wusch die Becher ab und stellte sie weg. Zehn Minuten später war Tansy angezogen und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Sie trug alte, enge Jeans, eine weite Bluse, die bis halb über die Oberschenkel reichte, und eine Baseballmütze.
Den ganzen Vormittag wartete Tansy darauf, dass Leo auftauchte. Es war lächerlich, aber jedes Mal, wenn sie die Straße entlangblickte, glaubte Tansy ihn zu sehen. Ich werde langsam verrückt, dachte sie entnervt und konzentrierte sich aufs Singen.
Sie verdiente wieder gut. Den Leuten gefiel, was sie zu bieten hatte, und das bevorstehende Weihnachtsfest machte die Menschen großzügig. Am Nachmittag blieb eine Gruppe japanischer Touristen stehen, und ein Mädchen bat Tansy um ein bestimmtes Lied. Sie sang den Wunschtitel, und die Japaner ließen eine hübsche Summe zurück, als sie schließlich weitergingen.
Inzwischen war es nach drei Uhr, und Tansy beschloss aufzuhören. Sie streifte den Gitarrenriemen von der Schulter und bückte sich, um das Geld aus dem Kasten zu nehmen.
Zwei Jungen, vierzehn oder fünfzehn, schauten auf der fast leeren Straße nach links und rechts, dann nickten sie sich zu. Tansy hatte die beiden schon eine halbe Stunde vorher bemerkt und im Auge behalten, doch sie hatten sich nicht verdächtig benommen.
Jetzt jedoch hatten sie offensichtlich beschlossen, schnell ein paar Dollar zu verdienen. Tansy schloss den Gitarrenkasten mit dem Fuß, stellte sich davor und richtete den Blick auf den Jungen, den sie für den Anführer hielt. „Welcher von euch will es versuchen?“, fragte sie lächelnd.
Mit der Reaktion hatten die beiden
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