Romana Exklusiv 0187
auftreiben, um ihre Ausbildung abzuschließen, und wenn sie sich verschulden musste!
Tansy sang für die Leute, die ihre Weihnachtseinkäufe machten, Adventslieder, zur Jahreszeit passende Songs und beliebte Oldies und verdiente sehr gut.
Nur einmal, dachte sie, während sie die Gitarre einpackte, möchte ich genug Geld haben, um mir kaufen zu können, was ich will. In einer Buchhandlung zum Beispiel. Oder in der Drogerie. Das würde jedoch in absehbarer Zeit nicht eintreten.
Im vergangenen Jahr hatte Tansy Weihnachten bei der Familie einer Freundin in Lower Hutt verbracht. Die Leute waren reizend und hatten Tansy erneut eingeladen, wohnten jedoch inzwischen an der Hawkes Bay, und die Fahrt dorthin konnte sich Tansy nicht leisten. Es würde nicht das erste Mal sein, dass sie Weihnachten allein war.
An diesem Abend schienen alle bei „Arabella’s“ in Partylaune zu sein, auch Arabella selbst, die die Stimmung so anheizte, dass Leo und Tansy erst um Mitternacht dort wegkamen.
„Ich bin heiser“, schimpfte er.
Tansy warf ihm einen schelmischen Blick zu. „Ich gebe Ihnen Gesangsstunden. Wenn Sie sich das Singen zur Gewohnheit machen wollen, sollten Sie wissen, wie man seine Stimme pflegt.“ Leo hatte einen schönen Bariton, völlig unausgebildet natürlich, und Tansy war beeindruckt, wie viele Lieder er kannte.
„Ich glaube nicht, dass ich es mir zur Gewohnheit mache. Zahlt Ihnen Arabella mehr, wenn Sie die Gäste ermuntern mitzusingen?“
„Nein. Und nicht ich, sondern Arabella hat für den Spaß gesorgt. Ich genieße solche Abende.“
„Sie ist so besorgt um Sie wie eine Henne um ihr Küken.“
„Arabella will mich aufpäppeln. Sie ist sicher, dass ich Pausbacken und Grübchen bekomme, wenn sie mir nur genug kostenlose Nudelgerichte serviert.“
Leo lachte. „Allein bei dem Gedanken wird einem schwindlig. Mir scheint sie ziemlich klug zu sein. Sie müsste doch wissen, dass Vollblutmenschen nicht dick werden.“
„Die Frau gibt nie auf“, erwiderte Tansy fröhlich.
Er fuhr sie direkt nach Hause, also hatte er die Idee wohl aufgegeben, sie zu überreden, ihm zu sagen, wo Rick sei. Umso besser. Sie war nicht in der Verfassung, mit einer Auseinandersetzung fertig zu werden. Tansy schaute müde über die Innenstadt auf die Berge.
„Ich mochte den Mann, der ‚Ein Loch ist im Eimer‘ gesungen hat“, bemerkte Leo, als er und Tansy den Weg zu ihrer Wohnung hochgingen. „Großartiger Stil.“
„Und sein Dialekt war eindrucksvoll.“
Vor ihrer Tür sagte Leo: „Ich würde mich freuen, wenn Sie mich hereinbitten würden. Sie haben versprochen, mich anzuhören.“
Tansy erstarrte. Sie wollte das nicht! Wann immer sie zu Hause war, würde sie sich später an ihn in ihrer Wohnung erinnern. Aber sie hatte sich bereit erklärt, mit ihm zu sprechen, und musste jetzt so anständig sein, es auch zu tun. „Ja, gut“, erwiderte Tansy ausdruckslos.
Wie sie vermutet hatte, ließ Leo die Wohnung noch kleiner erscheinen. Tansy deutete auf den einzigen Sessel und setzte sich auf die Bettkante. Wahrscheinlich war Leo noch nie in einer solchen Umgebung gewesen. Das Zimmer, in dem sie sich wohl fühlte, musste er deprimierend schäbig finden, und das bedrückte und ärgerte sie.
„Ich habe heute Abend mit der Gesellschafterin meiner Stiefmutter telefoniert“, begann Leo ohne Umschweife. „Grace redet sich ein, dass Rick tot sein muss, wenn er bis Weihnachten nicht zu Hause ist.“
„Tut mir leid“, sagte Tansy leise und versuchte, einen Weg aus diesem Labyrinth der Gefühle und Interessen zu finden.
„Können Sie Kontakt zu ihm aufnehmen?“, fragte Leo.
Er blickte mit ausdrucksloser Miene auf das Poster der Anden, doch Tansy spürte seine Anspannung. „Nein.“
„Wirklich nicht?“
Tansy schwieg.
„Sagen Sie mir wenigstens, was mein Bruder macht?“
Sie atmete tief ein. „Verrat ihm nicht, wo ich bin und was ich tue, Tansy!“, hatte Rick gefleht. „Leo glaubt nicht an so etwas und schon gar nicht, dass ich stark genug bin, um es allein zu schaffen. Er würde mich im Nu dort herausholen. Versprich mir, dass du ihm nichts erzählst. Es ist meine einzige Chance …“
„Ich kann nicht, tut mir leid“, antwortete Tansy schließlich.
„Können Sie nicht, oder wollen Sie nicht?“, fragte Leo.
Sie schüttelte den Kopf.
„Seine Mutter ist krank, Tansy. Sie will Ricky bei sich haben, und vielleicht braucht sie ihn, um gesund zu werden. Soll ich betteln, damit Sie …“
„Nein!“
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