Romana Exklusiv 0187
entgegenbringt.“
„Sag mir, ob du dich weiterhin als Opfer fühlst, wenn du vor dem Tadsch Mahal stehst, Liebling.“ Jordan erhob sich. „Ich muss noch arbeiten.“
Er ließ sie mit ihrer Wut allein. Die Reise konnte durchaus in einer Katastrophe enden, aber das wäre nicht das Schlimmste. Bridget seufzte. Da sie ihrer eigenen Willenskraft nicht trauen durfte, sobald Jordan in der Nähe war, hielt sie es für das Beste, ihn in dem Glauben zu lassen, sie wäre noch immer mit Loris zusammen. Allerdings hasste sie Lügen aller Art und war nicht sicher, ob sie die Stärke besaß, ihn längere Zeit hinters Licht führen zu können.
Als sie am nächsten Tag Agra erreichten, einst Mittelpunkt des Mogulimperiums, fühlte Bridget sich wesentlich zuversichtlicher. Jordan hatte sich als gut gelaunter, amüsanter Gesellschafter erwiesen, der sie auf viele Sehenswürdigkeiten aufmerksam gemacht hatte.
„Agra wirkt auf mich nie wie eine Stadt“, sagte er, als er den Wagen vor einer massiven roten Sandsteinmauer parkte. „Die Mogule haben abwechselnd von hier und von Delhi aus regiert, und noch heute kommen Scharen von Touristen her. Dies hier ist übrigens die Festung von Agra. Von außen ein ziemlich nüchterner Militärbau, innen ist sie jedoch von überwältigender Schönheit. Sie beherbergt den Palast von Jahangir, die Residenz von Sha Jahan und die traumhafte Perlmoschee. Da wir jedoch wegen des Tadsch hier sind, sollten wir direkt dorthin gehen. Es ist wichtig, dass du ihn bei Tag siehst.“
„Warum?“
„Weil die Sonne ehrlich ist“, erwiderte er stirnrunzelnd. „Gewiss, er ist wunderschön, wenn er sich im Mondlicht auf der Yamuna spiegelt oder wenn er sich im Morgengrauen vor der aufgehenden Sonne zu bewegen scheint, aber all diese Eindrücke sind Illusion. Nur im Sonnenschein erkennt man die Wahrheit … Ich fürchte allerdings, dass du zu den Menschen gehörst, denen die Romantik wichtiger ist als die Realität – warum sonst willst du unbedingt glauben – oder die Welt glauben machen –, dass du in meinen Cousin verliebt bist? Was weißt du eigentlich über die Geschichte, Bridget?“
„Vom Tadsch? Du willst mir offenbar alle möglichen unromantischen Details darüber erzählen“, neckte sie ihn, obwohl sein unverhohlener Zynismus ihr wehtat.
„Wie zum Beispiel die Tatsache, dass die arme Mumtaz nach zahlreichen Schwangerschaften im Kindbett gestorben ist, dass zwanzigtausend Männer siebzehn Jahre lang daran gebaut haben, dass Shah Jahans Sohn Aurangseb seinen Vater stürzte, seine Brüder ermordete und gar nicht daran dachte, seinen Vater und dessen Lieblingsfrau im Tod zu vereinen, sondern stattdessen beschloss, sein Vater solle neben seiner Mutter ruhen und ein eigenes Mausoleum bekommen.“
Bridget sah Jordan vorwurfsvoll an. „Mag sein, aber es gibt noch eine andere Tatsache. Sie haben einander geliebt, Shah Jahan und … wie hast du sie genannt?“
„Mumtaz Mahal … Mumtazul-Zamani.“
Der Parkplatz war von Menschen überfüllt. Schweigend geleitete Jordan Bridget durch ein Gewölbe, hinter dem sie einen ersten Eindruck von dem Monument der Liebe erhielt. Der Anblick war einfach atemberaubend.
Ein zu Stein gewordener Traum … Der Tadsch spiegelte sich in der glatten Wasseroberfläche des langen, von dunklen Zypressen gesäumten Beckens. Zarter als eine Perle und makelloser als der strahlend blaue Himmel, der sich darüber wölbte, bot das Grabmal ein Bild perfekter Symmetrie. Der Bau wurde von einer marmornen Plattform getragen, an deren Ecken vier schlanke Minarette standen.
Bridget brachte kein Wort über die Lippen. Der Tadsch war über jegliche Beschreibung erhaben, er war kein Gebäude, sondern ein Gefühl, eine Emotion, Ehrfurcht gebietend zärtlich, überwältigend leidenschaftlich, Reinheit und Bescheidenheit beflügelten die Fantasie, während die klaren Linien ungeahnte Perspektiven eröffneten. Der Tadsch Mahal wirkte kühl und dennoch unendlich tröstlich.
Als sie Jordan einen verstohlenen Seitenblick zuwarf, sah sie, dass er sie beobachtete. Sonderbarerweise störte es sie diesmal nicht, denn Sekundenbruchteile später wurde ihre Aufmerksamkeit erneut auf das architektonische Wunder gelenkt.
Schweigend näherten sie sich dem Tadsch. Bridget war völlig verzaubert von den prachtvollen Einlegearbeiten am Eingang, der zudem von Inschriften aus dem Koran geschmückt wurde. Es erschien ihr unvorstellbar, dass ein gewöhnlicher Sterblicher all das ersonnen und von
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