Romana Exklusiv 0225
sonnigen Lächeln jeden Erwachsenen sofort für sich einnahm, litt unter einer abgeschwächten Form von Gehirnlähmung und war einseitig gelähmt. Bei dem Eingriff sollte die Missbildung eines Knöchels korrigiert werden, die es Carlos unmöglich machte, beim Gehen über die Ferse abzurollen. Mit einem Fuß auf Zehenspitzen laufend, dazu einem aufgrund der Lähmung schlenkernden Arm, hatte der Junge einen eigenartigen schlurfenden Gang, kam aber trotzdem beeindruckend zügig voran. Der betroffene Arm mit seinen unkontrollierbaren Bewegungen bereitete ihm fast mehr Kummer als das Bein, aber der kleine Junge nahm die Probleme, die mit seiner Beeinträchtigung zusammenhingen, mit viel Humor.
Sarah lächelte seine verängstigte Mutter ermutigend an. „Sie werden überrascht sein, wie schnell er sich erholt haben wird. Und keine Sorge, er wird kaum Schmerzen spüren.“ Dann wandte sie sich dem Kleinen zu. „Sieh mal, morgen fahren wir in dem tollen Auto, Carlos.“ Der Kleine war mindestens so beeindruckt wie sein Vater von dem Klinikbett, das so umgebaut und bunt lackiert war, dass es wie ein Rennwagen aussah. Erfolgreich wurde das schnittige Gefährt auf Rollen eingesetzt, um den kleineren Patienten die Angst vor dem Weg in den Operationssaal zu nehmen.
„Fahren!“, verlangte Carlos.
„Morgen früh“, versprach Sarah.
„Sind Sie dann auch da?“, erkundigte sich die junge Mutter nervös und griff zur Beruhigung nach der Hand ihres Mannes.
„Ich habe morgen Nachmittagsdienst, so werden wir uns sehen, nachdem die Operation sicher bereits bestens über die Bühne gegangen ist.“
Als Sarah die Eltern vereint am Bettchen ihres Sohnes sitzen sah, fiel ihr wieder das Gespräch auf dem Amt für Familienangelegenheiten ein. Auch wenn sie noch immer frustriert war, räumte sie inzwischen doch ein, dass die Angestellte recht damit hatte, dass es auch für Pflegekinder besser war, in einer richtigen Familiensituation zu leben, in der es idealerweise zwei Elternteile gab und auch eigene Kinder.
Sarah sagte sich, dass es ihr gutes Recht war, wegen ihres abgelehnten Antrags enttäuscht zu sein, dass sie sich selbst gegenüber aber dennoch ehrlich sein musste. War sie womöglich vor allem deshalb so niedergeschlagen, weil sie die Hoffnung aufgegeben hatte, dem richtigen Mann zu begegnen?
Nach und nach akzeptierte Sarah eine schmerzliche Einsicht.
Die Idee, Pflegekinder aufzunehmen, war ein Versuch, sich abzulenken. Auslöser dafür war sicherlich die Begegnung mit Phoebe gewesen, und vielleicht hatte dieses Erlebnis dazu gedient, dem Aufruhr der Emotionen zu entfliehen, den die Begegnung mit Ben Dawson verursacht hatte. Nach den prägenden Erfahrungen der zurückliegenden Wochen empfand Sarah eine gewisse Wehmut, fühlte sich jedoch gleichzeitig ein wenig älter und weiser.
Nach Dienstschluss, als sie Tori abholte, wollte Sarah umgehend nach Hause. Sie sehnte sich nach der Sicherheit und Geborgenheit des Ortes, an dem sie sich wie sonst nirgendwo heimisch fühlte. Auch eine Portion jenes Optimismus, den Tori in der Regel zu verbreiten wusste, konnte Sarah gut gebrauchen.
Als Tori in den Wagen stieg, hatte sie ein Glänzen in den Augen, das in Sarah neue Befürchtungen aufkeimen ließ.
„Du siehst so zufrieden aus, als hättest du die Arbeit wirklich genossen, Tori.“
„Stimmt. Es hat Spaß gemacht.“
„Wie hat dein Bein es überstanden?“
„Es tut ein bisschen weh.“
„Bist du müde?“
„Total erschöpft.“
„Wieso bist du trotzdem so auffallend gut gelaunt?“
Tori hakte den Sicherheitsgurt ein und grinste. „Ich dachte, du würdest es nicht merken. Ich habe jemanden getroffen, Schwesterchen. Einen tollen Typen!“
„Auweia!“ Sarah stöhnte. Dann lachte sie in sich hinein. „Den idealen Vater für deine Babys, die du dann irgendwann später haben wirst?“
„Falsch geraten. Einen Typen für dich. Ich würde ihn nicht einmal mit der Kneifzange anfassen.“
„Wieso? Ist er so hässlich …?“
„Ach was – er sieht sogar blendend aus. Ein junger Assistenzarzt. Er hat bei uns gerade seinen Dienst im Notarztwagen angetreten. Er heißt Matthew, stammt von hier, spricht aber mit leicht britischem Akzent, denn er war eine Weile in England in der Ambulanz einer Klinik tätig. Beim Kaffee in der Mitarbeiter-Cafeteria kam ich mit ihm ins Gespräch.“
Sarah schmunzelte bei der Vorstellung, wie der arme Mann von Tori mit Fragen bombardiert worden war. Britischer Akzent – wie Ben …?
Weitere Kostenlose Bücher