ROMANA EXKLUSIV Band 0173
konzentrieren konnte. Vielleicht war sie deshalb unachtsamer als sonst. Als sie ein, zwei Schritte zurückwich, um ihre Arbeit zu begutachten, trat sie plötzlich ins Leere.
Es war nicht wirklich gefährlich. Der Abhang war zwar steil, aber keine Felswand. Sie wäre nicht weit hinabgerutscht. Trotzdem schrie sie erschrocken auf. Mit einem Satz war Robert bei ihr, packte ihr Handgelenk und zog sie auf das Plateau zurück.
Augenblicklich ließ er sie wieder los, als habe er sich die Finger verbrannt, und wandte sich ab. Sekundenlang standen sie schweigend da. Marian rieb sich geistesabwesend das schmerzende Handgelenk, Robert rang schwer atmend um Fassung.
Schließlich fragte er schroff: „Alles in Ordnung?“
„Ja“, antwortete sie beklommen. „Ja. Danke.“
Sie erwartete, dass er sie erneut bedrängen würde, sich von den Bergen fernzuhalten. Aber er kehrte ohne ein weiteres Wort in den Schatten des Baumes zurück, wo er gelesen hatte.
Marian presste die Lippen zusammen und betrachtete das Gemälde auf der Staffelei. Sie hatte an diesem Morgen alles verdorben, was sie zuvor mit so viel Mühe geschaffen hatte. Was ihr nun von der Leinwand entgegenstrahlte, war nicht mehr als ein gefälliges, nichtssagendes Souvenir. Sie seufzte. „Wir können genauso gut zurückfahren.“
Robert bestand darauf, das Steuer zu übernehmen. Als sie nach einer schweigsamen und angespannten Rückfahrt zu Hause ankamen, machte Marian schweren Herzens einen letzten Versuch zu beschwichtigen.
„Hör zu, Robert, ich werde nicht noch einmal in die Berge hinauffahren …“
Seine Antwort war von eisiger Höflichkeit. „Ich hatte kein Recht, dich darum zu bitten. Du musst das tun, was du willst.“
Da wusste sie, dass ihre Ahnung vom Morgen richtig gewesen war. Robert zog sich von ihr zurück. Irgendetwas war geschehen, was ihn veranlasst hatte, die Regeln ihrer Beziehung zu ändern. Und das war gewiss nicht nur ihre Weigerung gewesen, sich von ihm in ihr Leben hineinreden zu lassen.
Ein unerträglicher Schmerz durchzuckte sie. War sie Robert vielleicht zu nahegekommen? Sie war schon oft unglücklich gewesen, hatte sich aber immer wieder aufgerafft in der Zuversicht, dass in der Zukunft neues Glück auf sie wartete. Zum ersten Mal war sie sich da nicht so sicher.
Robert hielt sich fern, während sie duschte und sich umzog. Das Haus war so still, als sei er bereits fort. Lange stand Marian vor dem Spiegel und betrachtete sich nachdenklich. Ihre ausdrucksvollen grünen Augen verrieten ihre Seelenqualen. Jetzt galt es nur noch, Würde zu wahren. Viel mehr ist mir nicht mehr geblieben, dachte sie mit bitterer Ironie.
Nach einem einsilbigen Mittagessen draußen am Pool schwammen sie ein paar Bahnen im Schatten der Pergola, weil es in der prallen Sonne am Strand zu heiß war. Schließlich zog Robert sich auf die Terrasse zurück, um zu arbeiten.
Später, beim Abendessen, war Robert ausgesucht höflich, aber so reserviert, als habe es all die leidenschaftlichen Nächte und all die anregenden Gespräche zwischen ihnen nie gegeben. Marian tat es ihm gleich, aber es zerbrach ihr das Herz.
Kurz nach zehn sagte er dann: „Ich werde jetzt schlafen gehen. Meine Sachen habe ich in das Gästezimmer nebenan gebracht, damit ich dich nicht störe, wenn ich morgen in aller Frühe aufbreche.“
Ihre Ahnung wurde zur Gewissheit. War es möglich? Hatte Robert sich wirklich entschlossen, nicht mehr zurückzukommen? In ihrer Panik reagierte Marian aggressiv. „Warum gibst du nicht einfach zu, dass du heute Nacht nicht mit mir schlafen willst?“
Er zog die Brauen hoch. „Schön“, sagte er eisig. „Ich will heute Nacht nicht mit dir schlafen.“
Sie war selber schuld. Robert war zu ehrlich, um sie zu belügen, wenn sie ihn so direkt fragte. Bebend holte Marian Luft. „Ich verstehe.“ Sie wandte sich ab.
Nach längerem Schweigen sagte Robert stockend: „Es kann nicht gut gehen, Marian. Verzeih mir. Ich habe mir eingebildet, es wäre möglich, aber … es geht nicht.“
„Aber warum? Was ist passiert?“ Sie hatte sich geschworen, nicht nach Gründen zu fragen. Doch nun, im entscheidenden Moment, vergaß sie ihre Würde.
Robert zögerte. „Vermutlich bin ich einfach nicht geschaffen für eine solche Affäre auf Distanz“, sagte er dann. „Glaub mir, Marian, es hat nichts mit dir zu tun.“
Sie wusste, dass er nicht die Wahrheit sprach, aber ein letzter Rest an Stolz kam ihr zu Hilfe. „Schon gut, vergiss, dass ich gefragt habe.
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