Romana Extra Band 6
vier Jahren Enthaltsamkeit nicht so leicht stillen ließ, wunderte ihn nicht. Doch er sehnte sich ebenso sehr danach, einfach nur mit Hannah zusammen zu sein.
Aber wollte sie das auch?
Das wusste er beim besten Willen nicht.
Als er ihr Zimmer verließ, hatte sie noch geschlafen. Dadurch waren ihm peinliche Fragen erspart geblieben wie: „Wie geht es jetzt weiter mit uns?“, die angeblich unweigerlich auf jede erste gemeinsame Nacht folgten. Wie er weiter vorgehen sollte, konnte er allerdings auch nicht sagen.
Bei den Mahlzeiten, die er wie jeden Tag gemeinsam mit Riley und Hannah einnahm, plätscherte die Unterhaltung ebenso dahin wie sonst. Es gab keine unangenehmen Anspielungen auf die vergangene Nacht, keine spannungsgeladenen Gesprächspausen, überhaupt keinen Hinweis darauf, dass sich zwischen ihnen etwas verändert hatte.
Abends brachte er Riley ins Bett. Nachdem sie eingeschlafen war, verließ er ihr Zimmer vorsichtig. Im Treppenhaus traf er Hannah.
Es war noch nicht allzu spät, dennoch hatte sie sich bereits umgezogen. Das offene Haar fiel ihr seidig über die Schultern, und sie trug einen bodenlangen blauen Morgenmantel, der mit einem Gürtel verknotet war. Bei jedem Schritt öffnete er sich ein wenig und gewährte ihm Blicke auf ein seidiges Etwas in derselben Farbe, das in ihm den Wunsch weckte, es ihr abzustreifen.
Im Lauf des Tages hatte er beschlossen, sie aufzusuchen und die Diskussion zu beenden, die sie am Vorabend begonnen hatten. Nun, da er Hannah gefunden hatte, stand ihm der Sinn allerdings nicht mehr nach einer Unterhaltung.
„Wow“ war alles, was Michael über die Lippen kam.
Mehr war nicht nötig. Sie lächelte und streckte die Hand nach ihm aus. Schweigend führte sie ihn durch den Flur zu ihrem Zimmer, wo sie endlich den eleganten Morgenrock abstreifte. Was sie darunter trug, übertraf seine kühnsten Erwartungen. Einen Traum aus Seide mit schmalen Trägern, der ihre verführerischen Kurven betonte. Ihre zarte, helle Haut bildete einen wunderschönen Kontrast zu dem dunkleren Stoff.
Einen Moment lang verschlang Michael sie förmlich mit Blicken. Ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er die Realität seinen Träumen eindeutig vorzog. Dann ging er zu ihr und schloss sie in die Arme …
Später setzten sie sich mit einer Flasche Rotwein auf den Balkon und betrachteten den Sternenhimmel.
„Wann erzählst du mir endlich von deiner geplatzten Verlobung?“, fragte Michael.
„Wozu? Das ist eine Ewigkeit her“, wich Hannah aus.
Allzu lange kann es nicht zurückliegen, dachte er. Schließlich war sie erst sechsundzwanzig. Das Thema interessierte ihn brennend. „Was ist geschehen?“
„Wir haben nicht zueinandergepasst.“
Als er ungeduldig die Stirn runzelte, lenkte sie ein. „Ich habe Harrison an der Uni kennengelernt. Er gehörte zum britischen Hochadel, ich nicht. Trotz seiner Liebesschwüre löste er die Verlobung, sobald seine Familie klargestellt hatte, dass eine Verbindung mit einer Bürgerlichen nicht infrage kam.“
Obwohl sie ganz gelassen wirkte, spürte Michael, dass es ihr näherging, als sie zuzugeben bereit war.
„Wie lange wart ihr zusammen?“
„Fast vier Jahre. Solange wir nur miteinander ausgingen, störte sich niemand an meiner Herkunft. Offenbar ist es Adligen gestattet, Affären zu haben. Eine Heirat mit mir hätte dem makellosen Ruf der Familie dagegen enorm geschadet.“
Wieder sprach Hannah emotionslos, doch ihm blieb nicht verborgen, wie tief verletzt sie war. Im Geiste verfluchte er den Mann, der sich dieser wunderbaren Frau gegenüber so grausam und hartherzig verhalten hatte.
„Ich wusste gar nicht, dass es immer noch Menschen gibt, die an diesen veralteten Ansichten festhalten – meine Mutter natürlich ausgenommen.“
„Hat sie nicht einen Landwirt geheiratet?“
„Ich vermute, sie ist davon ausgegangen, dass ihre königlichen Gene seine ausmerzen würden. Hast du wenigstens den Verlobungsring behalten?“
„Der war ein Familienerbstück“, erklärte sie kopfschüttelnd.
„Er war doch nicht etwa so dreist, ihn zurückzufordern?“
„Noch bevor wir den Familiensitz verließen“, gestand sie.
„Und hast du ihn ihm gegeben?“ Michael konnte sich nicht vorstellen, dass sie den Ring ruhig vom Finger gestreift hatte. Bestimmt war sie nicht in der Lage gewesen, das Ende ihrer Verlobung gelassen zu akzeptieren, wenn sie sich etwas aus dem Mann gemacht hatte.
„Ich habe ihn aus dem Fenster geworfen. Harrison musste
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