Romana Gold Band 11
Als er immer weiter vor sich hingrübelte, stellte sie ihren Becher laut auf den Tisch, der zwischen ihnen stand, und schreckte ihn damit auf.
„Entschuldige“, sagte Jan und lächelte verlegen, aber seine grauen Augen behielten ihren abwesenden Ausdruck.
„Was ich sagen wollte …“
Sie hatten gleichzeitig gesprochen und mussten beide lachen, wodurch sich die Atmosphäre entspannte.
„Du zuerst“, forderte Jan sie auf.
„Ich wollte dich um Rat fragen“, erklärte sie zögernd. „Aber vielleicht ist dies nicht der richtige Augenblick. Irgendetwas beschäftigt dich.“
„Das hat Zeit.“ Jan zuckte die Schultern. „Ich habe schon so lange gewartet, dass einige Minuten – oder Tage – nicht mehr viel ausmachen.“
Lorna erschrak. Sie versuchte, an Jans Gesichtsausdruck zu erkennen, was er meinte, obwohl sie es ahnte. Sicher hatte er ihr endlich einen Heiratsantrag machen wollen, aber anstatt sich darüber zu freuen, ängstigte sie sich. Hatte sie nicht jahrelang auf diesen Augenblick gewartet, der als der glücklichste im Leben einer Frau galt? Und warum war sie nicht enttäuscht, sondern eher erleichtert darüber, dass Jan das entscheidende Wort abermals aufschob? Es gab nur eine Erklärung. Das Gespräch, das sie vorhin mit Martin geführt hatte, war schuld. Es hatte sie zutiefst aufgewühlt und beschäftigte sie immer noch so sehr, dass sie nicht normal reagierte.
Sie zupfte an ihrem Zopf und wand ihn um die Finger. „Hast du dir schon mal gewünscht, etwas anderes zu tun als einen Laden zu führen?“, fragte sie ihn vorsichtig. „Würdest du dein Geschäft gern vergrößern, mehr Personal einstellen und selbst frei sein, um zu reisen und andere Menschen kennenzulernen? Oder hast du sogar schon irgendwann einmal mit dem Gedanken gespielt, alles aufzugeben und etwas völlig Neues anzufangen?“
Jan sah sie entsetzt an. „Ein solcher Gedanke ist mir noch nie gekommen. Warum sollte ich reisen, um Menschen zu treffen? Sie kommen ja zu mir – wenn auch nicht so zahlreich, wie ich es mir wünsche“, fügte er mit einem Lachen hinzu, das beinahe bitter klang, was Lorna überraschte. „Was eine Vergrößerung des Geschäfts betrifft … nun, das wäre eine feine Sache, ist aber im Moment leider unerschwinglich. Ich komme gerade zurecht, wenn du es genau wissen willst.“ Sein Mund nahm einen harten Zug an. „Darum war ich auch nicht gegen dieses Feriendorf, über das du dich so aufgeregt hast. Wir alle könnten etwas mehr Umsatz gebrauchen – ich, Andy und auch du in Glenmore, würde ich denken.“
Lorna war bestürzt. Sie stand auf, setzte sich neben Jan auf die Sessellehne und legte beide Arme um ihn. „Oh Jan, meinst du, es steht wirklich so schlimm?“
„Ziemlich schlimm“, beteuerte er, obwohl er dabei zu lächeln versuchte. „Ich weiß, was du für Mull und besonders für Glenmore empfindest, aber man muss realistisch sein. Dabei verspreche ich mir von der Verwirklichung der Pläne nicht einmal viel. Sie werden im Sand verlaufen wie viele andere, und ich werde weiter meine Pennies zusammenkratzen.“ Er strich sich müde über das Gesicht. „Nun, irgendwie werde ich schon zurechtkommen.“
Sie schwiegen beide, bis Jan Lornas Hand nahm und aufmunternd fragte: „Welchen Rat sollte ich dir geben?“
Lorna antwortete nicht gleich. Sie sah in Jans vertrautes Gesicht, und plötzlich tauchte ein anderes Gesicht vor ihr auf, dunkel und verlockend, und sie hörte eine Stimme, die sagte: „Gefühle sind gut und schön, aber man darf darüber nicht die Wirklichkeit vergessen.“
Martin würde nicht einfach dasitzen und abwarten, dass sich etwas änderte. Er würde kämpfen, um Kunden werben und das Ladengeschäft vergrößern, das heute noch fast genau so aussah wie zur Zeit von Jans Vater … oder Großvater.
„Nun?“
„Ach, nichts.“ Lorna wusste, dass sie ungerecht war, aber sie konnte es nicht ändern. Sie stand auf, trat vor den Kamin und rückte eine Porzellanfigur zurecht, die auf dem Sims stand. „Ich kann auch warten.“
Jan lachte. „Das war alles nicht gerade aufschlussreich, wie? Komm, ich mache uns noch etwas zu trinken. Oder musst du schon nach Hause?“
Zwei Stunden später stieg Lorna wieder in ihren Landrover. Jan hatte mehrere Drinks gemixt, und danach hatten sie in der Küche gemeinsam das Abendessen gekocht, Spaß gemacht und viel gelacht – ganz wie in alten Zeiten.
Wirklich wie in alten Zeiten? überlegte Lorna, während sie durch das Dorf fuhr, um
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