Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Zimmer.
Kramnitz und Laser sind sich sofort sympathisch. Beidesind eher ruhig und fallen anderen nicht gleich um den Hals. Der Ostdeutsche schreibt Geschichten und Gedichte, seit er 16 ist. Laser interessiert sich für Literatur und kennt sich aus.
Kramnitz kommt dieser Typ, der sich Lassie nennt, wie ein großer Bruder vor. Und Laser findet die DDR irgendwie spannend, da ist er wie viele linke Westdeutsche. Als der Urlaub zu Ende ist, sind sie Freunde. In den folgenden Jahren werden sie sich hin und wieder sehen. Sie treffen sich auch in Prag. Laser schmuggelt Manuskripte seines Freundes in den Westen und bietet sie allen möglichen Verlagen an. Kramnitz und Laser planen einen großen gemeinsamen Urlaub, einfach ein paar Wochen in der Welt rumfahren. Nach Lage der Dinge kommt nur der Balkan in Frage.
Laser holt Kramnitz in Karl-Marx-Stadt mit dem Auto ab, über die Grenze gehen sie getrennt. Erstes Ziel ist Prag, anschließend sind sie am Plattensee.
Es ist sehr heiß an der Grenze zwischen Ungarn und Rumänien. Der Stau ist lang. Man redet. Man lässt die Gedanken kreisen. Letztlich ist schwer zu sagen, wer auf die Idee gekommen ist. Kramnitz wollte in den Westen. Das war klar. Das hatte er schon ein paarmal gesagt. Aber wie?
Laser schert aus der Schlange aus, sie fahren Richtung jugoslawische Grenze. Irgendwann halten sie an. Eine einsame Stelle. Kramnitz vergräbt seinen Pass. Jugoslawien lässt DDR-Bürger ausreisen. Man muss zur westdeutschen Botschaft in Belgrad gehen, die regeln das. Kramnitz wird an der Grenze hektisch nach seinem Westpass suchen und dem ungarischen Zöllnern sagen, dass er ihn wohl irgendwie verloren hat, tut mir leid. Er wird sich für seinen Cousin aus Köln ausgeben. Der Cousin ist zurzeit verreist und wird, falls sie eine Stichprobemachen, bestimmt nicht ans Telefon gehen. Sie proben während der Fahrt ein mögliches Verhör. Was kann schon passieren? »Entweder lassen die uns durch, oder sie schicken uns zurück.«
Die ungarischen Grenzer trennen die beiden erst einmal, dann werden sie durchsucht, inklusive aller Körperöffnungen. Laser werden Handschellen angelegt. Er landet erst im Knast von Szeged, dann in Budapest. Vierzehn Tage Einzelzelle. Seine Brille nehmen sie ihm ab. Er fragt sich, was der andere jetzt macht.
Kramnitz sagt als Erster die volle Wahrheit. Sie schicken ihn zurück in die DDR. Laser dagegen schicken sie lediglich zu seinem geparkten Auto. Ab nach Hause, Wessie. All das geschieht im August 1980.
In der Untersuchungshaft versucht Kramnitz, sich umzubringen. Er ist sich sicher, dass er im Gefängnis wahnsinnig werden wird. Mit seinem Urteil, zehn Monate Gefängnis, kommt er noch relativ billig davon. Man hält ihn für einen Verführten. Besserungsfähig, im Prinzip. Im Gefängnis wird Kramnitz im Laufe mehrerer Gespräche Informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit mit dem Auftrag, alles über seinen Freund Laser herauszufinden. I M Dichter. Der Vorgang heißt »Assistent«. Laser arbeitet an der Uni als Assistent.
Kann Kramnitz diesen Auftrag ablehnen? In seinen Briefen redet er Lassie jetzt plötzlich nicht mehr mit seinem Spitznamen an, er schreibt »lieber Bernd«. Laser versteht die Botschaft. Er weiß jetzt, dass sie überwacht werden. Später, als sie sich wieder treffen, ahnt er, dass etwas Unausgesprochenes im Raum steht. Aber was?
Laser sagt heute: »Ich wusste überhaupt nicht, was das ist, ein IM. Ich wusste nicht, dass es so etwas gibt.« Es sind zweiWelten. Laser wusste viel über die DDR. Aber so rein gar nichts über die Stasi.
Es muss eine seltsame, surreale Freundschaft sein, die sie jetzt führen, Anfang der 80er Jahre. Man trifft sich wieder, aber nicht in der DDR, sondern in der Tschechoslowakei, in Karlsbad oder Eger. Jetzt sind beiderseits auch Freundinnen dabei. Kramnitz bringt, dank Lasers Hilfe, ein Buch mit Kurzgeschichten heraus. Laser versorgt ihn mit verbotener Literatur. Kramnitz interessiert sich für Elias Canetti.
Nach der Entlassung aus dem Gefängnis verweigert sich Kramnitz einer von der Stasi angebotenen Versöhnung mit der DDR. Er studiert Theologie. Er wird politisch nicht weicher, sondern härter. Jetzt redet er überall ganz offen, ohne Rücksicht auf Gefahr. 1984 erklärt er der Stasi, dass er nicht mehr mitarbeite.
Mit Laser spricht er nicht über diese Dinge. In Ostberlin taucht Rolf Kramnitz in die Prenzlauer-Berg-Boheme und ihre Literatenzirkel ein, ähnlich wie einst sein älterer Freund in die
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