Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
ein gewisses Maß an sozialistischer Demokratie. Von den beiden Möglichkeiten, 1931 Kommunist zu sein, verkörpert Trotzki eindeutig die menschenfreundlichere.
Moneta und Mayer gehen in die Sozialistische Arbeiterpartei. Um seinem Vater nicht weh zu tun, besucht Moneta am Sabbat immer noch die Synagoge. Er ist in der Unterprima. Marx liest er damals selten, lieber »Wolfsblut« von Jack London oder »Der Sumpf« von Upton Sinclair. Er mag Romantiker und Abenteurer. Der Alte weiß bald Bescheid und weist ihn mit den Worten »Raus, Bolschewik!« aus der Wohnung. Sie versöhnen sich aber wieder. In seiner Parteigruppe ist er der einzige Jude. Jakob Moneta sagt: »Für meinen Vater war es ein harter Schlag.«
1933 fliehen die Eltern über Belgien nach Kuba, später in die USA. Der Vater sattelt um, er wird Diamantenhändler. Jakob, den Marxisten, würden die Amerikaner nie ins Land lassen. Er geht nach Palästina. Am 2. November 1933 erreicht er Haifa.
Der Kibbuz heißt »Kompass«, er besteht aus 30 Männern und zehn Frauen, fast alle sind Abiturienten aus Deutschland, alle links, alle um die zwanzig. Sie lernen, als Handwerker zu arbeiten, wenn sie nicht gerade mit Malaria in der Hängematte liegen. Moneta hat fünfmal Malaria. Als Handwerk lernt er Orangenkistennagler. Politisch sind sie für einenbinationalen Staat, ein Land für Juden und Araber. Alles andere, sagen sie, läuft auf Kolonialismus heraus. Es wird ununterbrochen diskutiert und gearbeitet, während Schakale um die Zelte schleichen.
Am Ende brechen fünf der 30 Kibbuzniks mit dem Zionismus, darunter Moneta. Wenn ein Araber sein Land nicht aufgeben wollte, sagt er, dann wurden ihm Arme und Beine gebrochen. Er erzählt, dass in Haifa jüdische Terroristen eine Warteschlange mit arabischen Arbeitern in die Luft gesprengt haben, 40 Tote. So etwas konnte er nicht unterstützen.
Manche, die vom Zionismus enttäuscht waren, gingen in die Sowjetunion. Im Osten Asiens hatte Stalin einen sozialistischen Judenstaat errichtet, als Alternative zu Palästina. Birobidjan. Eine Falle war das. Viele, die dorthin gingen, wurden später ermordet.
Moneta aber, der Trotzkist, hat kein gelobtes Land. Er geht nach Jerusalem, arbeitet als Nachtportier und gründet eine jüdisch-arabische Gewerkschaft. Im Krieg verhaften ihn die Briten als Unruhestifter. Er sitzt ohne Urteil zweieinhalb Jahre, in Akko. Im Gefängnis trifft er eine wilde Mischung aus jüdischen Kommunisten, linken Arabern, zionistischen Terroristen und allen möglichen politischen Sekten. Einer seiner Mithäftlinge wird später General, Moshe Dayan. Moneta lernt damals Arabisch, insgesamt spricht er zehn Sprachen. Er darf britische Zeitungen für die anderen Gefangenen übersetzen. Die Nachrichten über den Holocaust hält er zuerst für Gräuelpropaganda. Um ein Gerichtsverfahren zu erreichen, treten etliche Gefangene in den Hungerstreik. Moneta wird zwangsernährt. Der Mann, der ihn verhört und am Ende freilässt, heißt Hartley Shawcross und wird ein paar Jahre später britischer Hauptankläger im Nürnberger Prozess.
Am 18. November 1948 betreten Jakob Moneta und seine Frau Mathilde wieder deutschen Boden. Sie gehen in den Westen. Köln. Die Sowjetzone kommt für ihn nicht in Frage, wegen der Stalinisten. Aber warum überhaupt Deutschland? Moneta sagt: »In der Arbeiterbewegung gab es keinen Antisemitismus.« Außerdem sei er Internationalist. Er hat aber trotzdem das Gefühl: Ich komme nach Hause.
In den 90er Jahren war er im Parteivorstand der PDS. Er dachte, es muss endlich eine gemeinsame Partei für alle deutschen Linken geben. Inzwischen sagt er: »Der Gysi ist ein Hallodri.« Und er hat einen Brief an den Parteivorsitzenden Bisky geschrieben. Bisky soll Sahra Wagenknecht nicht aus der PDS werfen. »Schließt keine Leute aus nur wegen ihrer Ideen.« Denn damit hat der Stalinismus doch angefangen, oder? Sein Haus und sein bescheidenes Vermögen wird eine Stiftung erben, die seinen Namen trägt und linke Projekte unterstützt und eine Schule. Monetas Tochter ist deswegen ein bisschen sauer. Aber Moneta hat von seinem Vater auch nichts geerbt. Nichts Materielles. Der Vater liegt in Jerusalem begraben, nicht in New York, wo er starb. Das wollte er unbedingt. Sie haben sich nach dem Krieg wiedergesehen, in Köln, und sich beide genommen, wie sie sind.
Moneta ist, während ich dies schreibe, fast 90. Er verfasst regelmäßig Kolumnen für eine kleine linke Zeitschrift. Er ist immer noch
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