Romeo für immer, Band 02
beschloss, im Körper der Amme zu mir zu kommen. Eigentlich leben nur die Söldner in den Körpern der Toten weiter. Diese Art der Leichenschändung ist eines Botschafters nicht würdig.
Botschafter dürfen weder töten noch richten. Ein Botschafter darf auch nicht morden oder Menschen lebendig begraben.
Wenn dies eine Tat der »Guten« ist, dann zittere ich nicht nur um mich und sogar um Romeo – wo immer er sein mag – , sondern um die ganze Welt.
19
Ariel
D ie Morgensonne scheint in mein Zimmer, so strahlend hell, als würde der Himmel bei unserem Anblick lächeln. Romeo und ich! Es ist ein wunderschöner Morgen. Aber auch wenn er dunkel und grau wäre, wenn es Bindfäden regnen, blitzen und donnern würde, würde ich nicht bereuen, was Romeo und ich gestern Abend getan haben.
Denn ich liebe ihn. Und ich liebe es, ihn zu lieben. Am liebsten würde ich mich wieder krank stellen und Romeo im Schrank verstecken, bis Mom zur Arbeit geht. Dann könnten wir den Tag miteinander im Bett verbringen, mit nichts als den zerwühlten Laken zwischen uns. Wir würden uns wunderbare Dinge zuflüstern, uns immer wieder berühren, streicheln und miteinander verschmelzen.
»Bleib.« Ich halte ihn am Arm fest, als er aus dem Fenster steigen will. »Nur noch ein paar Minuten.«
»Wir haben keine Zeit mehr.«
»Der Unterricht beginnt doch erst in einer Stunde.«
Er sieht mich an. Die Sonne legt einen Heiligenschein um seine unordentlichen Locken. Er sieht aus wie ein gefallener Engel. Ein sehr sexy Engel. So will ich ihn malen – mit einem Bein schon aus dem Fenster, dem anderen noch im Zimmer. Ein Gefangener zwischen zwei Welten. »Ich kann nicht«, sagt er, aber ich merke, dass er zögert.
»Doch, du kannst.« Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich hatte erwartet, dass seine Küsse mich nach der vergangenen Nacht nicht mehr so aufwühlen würden, aber das Gegenteil ist der Fall. Mein ganzer Körper steht in Flammen, und Stromstöße durchzucken mich wie kleine Blitze. Mir ist schwindlig vor Glück . Ich will ihn nicht gehen lassen, auch nicht für wenige Minuten. »Komm wieder ins Bett«, murmle ich an seinem Mund. Mein Herz schlägt schneller, als er sanft meine Wange streichelt und dann in mein Haar fasst.
»Du machst es mir wirklich schwer«, keucht er und zieht sein Bein wieder ins Zimmer.
Ich lächle. »Nein, du machst es mir schwer.«
»Ich muss gehen. Wir treffen uns in einer Stunde, vielleicht schaffe ich es auch früher. Aber ich muss dringend etwas erledigen. Es ist sehr wichtig.« Seine Stimme bekommt einen drängenden Unterton. Er klingt besorgt und sogar ein wenig ängstlich.
»Geht es um … « Ich weiß nicht, wie die Hexe heißt, aber auch wenn ich es wüsste, würde ich ihren Namen nicht aussprechen. Ich will sie nicht in diesen Morgen hineinlassen. Er gehört Romeo und mir.
»Es ist wichtig für uns. Wichtig für dich.«
»Dann lass mich dir helfen. Warte eine Sekunde. Ich komme mit.« Ich hebe meine Jeans vom Boden auf und steige hastig hinein. Vor lauter Eile wäre ich fast umgekippt. Aber er hält meinen Arm und stützt mich. Abermals bringt seine Berührung meine Haut zum Prickeln. Ich knöpfe die Hose zu und ziehe den Reißverschluss hoch.
»Ich muss es allein tun«, sagt er.
»Aber ich … «
»Kein Aber. Diesmal nicht. Es ist wichtig, dass du in Sicherheit bist. Geh auf direktem Weg zur Schule und dort sofort in den Unterricht, unterhalte dich nicht mit Fremden.« Er will wieder aus dem Fenster klettern, doch bevor er erneut sein Bein über die Fensterbank schwingt, dreht er sich noch einmal zu mir um. »Besser noch, du sprichst mit niemandem, nicht einmal mit deiner Mutter, wenn es geht.«
»Okay.« Ich verschränke die Arme vor der Brust. Plötzlich wird mir kalt, auch wenn mein Schlafshirt mir vorhin noch viel zu warm war. Mir fällt ein, was Romeo gestern Abend gesagt hat. Der Mann in meinen Träumen gehört zu den Söldnern. Er könnte jemanden töten, den ich kenne, und in dessen Körper zu mir kommen, sogar im Körper meiner Mutter oder dem eines Lehrers. Wenn es so wäre, würde ich es erst merken, wenn es zu spät ist. Ich darf also niemandem trauen. Niemandem außer Romeo.
»Glaubst du wirklich, dass meine Mom in Gefahr ist?«, frage ich mit klopfendem Herzen. »Kann ich denn nichts für ihre Sicherheit tun?«
Er seufzt. »Ich würde ja gern sagen, dass du dir keine Sorgen machen musst, aber … « Er nimmt meine jetzt
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