Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
Vom Netzwerk:
Räumen auf seidenen Saiten zarte Melodien gezupft würden, und wo allenfalls bei Sturm oder Wolkenbruch die Einäscherungsfeuer erloschen, waren ein Kessel und Öl nicht schwer zu beschaffen. Bald kamen die Männer Shuntaro holen.
    Es geschah beinahe lautlos. Die Tür öffnete sich, zwei Samurai kamen die Treppe herab und schlossen die Käfigtür auf. Shuntaro erwartete sie bereits auf Knien, kam freiwillig heraus und erhob sich. Die anderen Männer regten sich nicht. Aus rot geränderten Augen starrten sie hasserfüllt zu den beiden Männern hinüber, die ihrem Anführer Fesseln anlegten und ihn die Treppe hinaufzerrten. Shuntaro blickte sich nicht noch einmal um, und dann waren die drei verschwunden.
    Bennosuke ertappte sich bei der Frage, was Shuntaro wirklich damit beabsichtigt hatte. Hatte er tatsächlich geglaubt, Fushimi dazu überreden zu können, seine Männer freizulassen? Vielleicht hatte er darauf gesetzt, dass sich der Marschall von einem Ehrenkodex leiten lassen würde, von dem Shuntaro offenbar nicht allzu viel verstand. So etwas musste eine eitle Hoffnung bleiben; ein Bauer konnte ebenso gut hoffen, einen Samurai zu überzeugen, wie ein Tauber hoffen konnte, singen zu lernen.
    Als er damit gescheitert war, hatte Shuntaro sein eigenes Leben angeboten und damit gezeigt, dass er auf einer grundlegenden Ebene durchaus etwas vom Denken der Samurai verstand. Der Unterschied war der, dass er sein Leben für das der anderen opfern wollte. Samurai boten ihr Leben meist eher an, um ihren eigenen Stolz wiederherzustellen.
    Der Junge dachte darüber nach. In der Zelle war es still, keiner sagte ein Wort. Sie alle wussten, dass bald Schreie ertönen würden, und sie lauschten darauf, von Phantasien geplagt. Sie alle stellten sich Klingen, Peitschen, Brandeisen vor, und sie wussten, dass die Samurai dort oben über eine ebenso lebhafte Vorstellungsgabe verfügten – und noch dazu über die Möglichkeit, ihre Vorstellungen in die Realität umzusetzen.
    Die Wahrheit war aber auch, dass sie diese grauenhaften Laute herbeisehnten, denn sie waren das Signal, mit dem Ausbruch zu beginnen. Wenn Shuntaro Qualen litt, waren die Samurai abgelenkt, und damit hatte er seinen Teil des Plans erfüllt. Es war schrecklich, auf so etwas zu warten, und sie taten es mit einer Mischung aus Scham und Furcht, die ihnen die Eingeweide zusammenzog. Angespannt hockten sie da und lauschten auf das leiseste Wimmern.
    Dann wurde die schwere Tür aufgestoßen, und alle erschraken. Der Knall des Holzes war viel zu nah und kam viel zu plötzlich, und die Banditen fuhren zusammen wie in Panik versetzte Spatzen. Zwei Burakumin kamen herein. Sie stellten sich vor den Käfig und sahen dabei aus, als führten sie irgendetwas im Schilde.
    «Ihr seid Banditen, und zwar berühmte», sagte der eine ohne Umschweife und hockte sich hin, sodass er mit den Gefangenen auf gleicher Augenhöhe war. «Das heißt, ihr habt irgendwo noch was versteckt. Wir wollen das haben, was auch immer es ist: Gold, Waffen, ganz egal.»
    Shuntaros Männer reagierten nicht darauf. Der Burakumin grinste. Er war bemerkenswert sauber, schien ein vollständiges Gebiss zu besitzen, und seine Augen blitzten clever. Aus einer Tasche an seiner Taille zog er eine kleine, verschlossene Ampulle hervor, die aus einem ausgehöhlten jungen Bambusstamm gefertigt war.
    «Das hier ist ein hübsches kleines Gebräu aus Viperngift, giftigen Blättern und Giftpilzen», sagte er. «Wer davon trinkt, ist innerhalb einer Minute tot. Sagt uns, wo ihr eure Beute versteckt habt, und es gehört euch. Aber es reicht nur für einen, also: Wer als Erster auspackt, gewinnt.»
    Schweigen.
    «Also bitte», sagte der Burakumin, und sein Grinsen schwand. «Ihr solltet dieses Angebot wirklich annehmen. Ich habe gesehen, was die da draußen für euch vorbereiten.»
    «Frag doch den Samurai», schlug einer der Banditen vor und wies mit dem Kinn auf Bennosuke. Die anderen Banditen lachten.
    «Nette Idee, aber seine Schätze haben wir ja schon», erwiderte der Burakumin, schloss sich dem Gelächter an und wies auf Bennosukes Schwerter, die immer noch an dem Regal hingen. Sein Begleiter nahm die Waffen herab und wiegte sie wie ein kleines Kind auf den Armen, ein sarkastisches Grinsen im Gesicht.
    «Also», fuhr der erste Burakumin fort, «ich glaube euch kein Wort, dass ihr nicht in irgendeinem Versteck etwas hinterlassen habt. Kapiert ihr nicht, dass ihr längst tot seid? Niemand wird sich an euch erinnern. Niemand

Weitere Kostenlose Bücher