Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)
ließen die beiden Leichen daneben zu Boden sinken. In dem nun folgenden Schweigen starrte Bennosuke erst auf das Blut an seinem Schwert, dann in die aufgerissenen Augen des Burakumin, von dem das Blut stammte. Das war kaltblütiger Mord, das war ihm klar, und in seinem Kopf flüsterte eine Stimme:
Würde Hayato Nakata mit aufgeschlitzter Kehle groß anders aussehen?
Er hörte es nicht, wusste aber, dass es Dorinbos Stimme war. Einen Moment lang schämte sich der Junge, schob das Gefühl aber schnell beiseite. Eine niedere Tat, um die große Tat begehen zu können, sagte er sich. Das Schwert hörte auf, in seiner Hand zu zittern. Er hob den Blick und sah, wie die Banditen erstarrt wie Diebe – die sie ja schließlich waren – darauf lauschten, ob jemand etwas gehört hätte und sich näherte. Doch da waren weder Schritte noch das Brüllen von Befehlen.
Das Einzige, was sie hörten, war ein aus der Ferne herüberhallender qualvoller Schrei.
«Los», sagte einer und versuchte sichtlich, nicht daran zu denken, was dieser Schrei bedeutete. «Hauen wir ab.»
Dann geschah alles ganz schnell. Sie nahmen dem Toten das Schlüsselbund ab, schlossen das Tor auf und drängten aus der Zelle. Bennosuke nahm sein Langschwert wieder an sich, und als er es aufhob, sahen die Banditen ihn mit einem Mal ängstlich an. Er steckte es in das Seil, das er um die Taille trug, nahm beide Hände von den Schwertgriffen und nickte ihnen freundlich zu. Sie wirkten nicht überzeugt, aber für Debatten war keine Zeit.
Die Banditen schlichen die Treppe hinauf, öffneten die schwere Tür einen Spaltbreit und spähten hinaus. Als niemand zu sehen war, huschten sie, tief geduckt, als könnten sie sich so am helllichten Tage irgendwie verbergen, ins Freie.
Dort hallten die Schreie lauter. Über einer Stelle, die sie nicht einsehen konnten, flirrte die Luft vor Hitze, und eine kleine Rauchfahne stieg in den Himmel. Die Schreie gingen ihnen durch Mark und Bein, aber sie kehrten ihnen den Rücken zu und setzten die Flucht fort, huschten von einer Deckung zur nächsten.
Bennosuke folgte ihnen. Die Banditen mussten mit unverbundenen Augen hergebracht worden sein, denn sie wussten, wo es langging. Die Enklave war nicht allzu groß, und es dauerte nur ein paar Dutzend hämmernde Herzschläge, dann bogen sie um eine Ecke und erblickten eine grob aufgeschichtete Mauer mit einem Tor aus schief zusammengenagelten Brettern darin, das sperrangelweit offen stand.
Neben dem Tor waren Pferde angebunden, große, kräftige Schlachtrösser, fertig gesattelt und mit Gepäck beladen. Der Junge starrte sie einen Moment lang an, konnte sein Glück kaum fassen.
Drei Samurai hielten bei ihnen Wache. Sie blickten in die andere Richtung und waren sich offenbar sicher, dass ihnen aus dem Inneren der Enklave keine Gefahr drohte. Die Banditen überwältigten sie mit wenig mehr Lärm, als ein Mann macht, der sich nachts von einem Albtraum geplagt im Bett hin und her wirft. In Überfällen aus dem Hinterhalt geübt, schlichen sie sich lautlos an, sprangen von hinten auf die Krieger und rangen jeden von ihnen zu dritt nieder, wobei sie den Männern den Mund zuhielten und nach den Schwertern an ihrer Taille griffen. Klingen wurden gezückt und sogleich gebraucht, und damit war es um die drei Samurai geschehen.
Die Banditen banden die Pferde los und trieben sie mit Schlägen auseinander, sodass sie aufgeschreckt in die Wildnis davongaloppierten. Keiner von ihnen konnte reiten, und jetzt würden die Samurai ihnen zu Fuß nachjagen müssen. Bennosuke ergriff die Zügel eines Pferds, eh sie auch dieses Tier verscheuchen konnten, und die Männer sahen ihn misstrauisch an, sagten aber nichts. Euphorie erfüllte den Jungen, als er dem Tier die Nüstern tätschelte: Er war noch am Leben, er war frei, er hatte ein Pferd, und vor ihm erstreckte sich die Straße. Nichts davon wäre ihm am Vortag auch nur möglich erschienen.
Sie befanden sich nun auf der Schwelle, die Freiheit lag direkt vor ihnen, aber dennoch zögerten die Banditen. Etwas Unausgesprochenes ließ sie innehalten und einander ansehen.
Die Schreie erschollen immer noch. Und auch der Rauch stieg weiter auf.
«Los!», zischte einer. «Wir haben keine Zeit.»
«Wir können ihn nicht hier zurücklassen», sagte der derjenige, der sich noch am weitesten in der Enklave befand, und sah sich zu der Rauchfahne um.
«Spinnst du?», erwiderte einer, der schon am Tor stand. «Wir müssen abhauen!»
«Ich kann nicht», sagte
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