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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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den Bauch ein, als könnte er sich damit irgendwie für das wappnen, was als Nächstes kam: den Zusammenprall.
    Es hörte sich an wie ein einziges großes Aufstöhnen – jener Moment vor dem Geschrei: Hunderte Männer kamen abrupt zum Stehen und sahen sich entweder von einem Speer durchbohrt oder in einem Wust aus Speerspitzen, Lanzenschäften und Leibern gefangen. Bennosuke zuckte zusammen, als ein Speerstoß quer über seinen Bauch glitt, doch sein Brustpanzer hielt dem stand, und die Spitze glitt daran ab und traf jemanden, der zu nah hinter ihm stand. Bennosuke hörte ein Gurgeln, und eine warme Flüssigkeit spritzte ihm in den Nacken.
    Kurz freute er sich hemmungslos, dass er nicht aufgespießt war, doch die Freude erlosch sofort, als ihm klarwurde, in was für einer Lage er sich befand. Er war zwischen Holzschäften eingezwängt, wandte sich wie ein linkischer Tänzer in einer verzwickten Pirouette, wobei seine Füße kaum mehr den Boden berührten und seine Wange über den Helm eines anderen Mannes schabte. Eingekeilt, aus dem Gleichgewicht, dem Tod sehr nah.
    Doch es ging ihm nicht allein so, und nun begann ein langes Ringen. Hin und wieder kam es dabei zu größeren Kämpfen, wenn einmal genug Platz war, um einen Speer wieder hervorzuziehen und erneut zuzustechen.
    Ausdauer war gefragt. Entweder gab eine Seite nach, sodass man durch eine Lücke zu den Fürsten und Bogentruppen dahinter vordringen konnte, oder beide Seiten hielten stand, bis eins der Heere ein Manöver vollführte, das der Schlacht eine neue Wendung gab – ein Flankenangriff der Kavallerie oder eine tollkühne Attacke auf eine geschwächte Stelle oder irgendein improvisierter Geniestreich, an den man sich noch Jahrhunderte später erinnern würde.
    Doch was bedeutete all das den Männern dort im Getümmel? Nichts. Dort gab es nur Knurren und Spucken und den Geschmack von Metall und Flüche aus tiefster Kehle und das Gefühl, wie Nasenbeine hin und her gebogen wurden, bis die Gefahr bestand, dass sie abrissen oder ins Gehirn drangen.
    Das Schwert, das Bennosuke immer noch in der Hand hielt, war in diesem Gedränge nutzlos, und da sein Arm vom Oberkörper fortgezwängt war, konnte er ohnehin nur schwächlich aus dem Handgelenk damit fuchteln. Mit der freien Hand griff Bennosuke verzweifelt nach den Speeren der Tokugawa, die ihm am nächsten waren. Er versuchte sie den Männern zu entreißen und nahm sich dabei vor den Spitzen in Acht, die ihm leicht die Handflächen aufschneiden konnten; doch genauso gut hätte er versuchen können, den Mond vom Himmel zu zerren. Er konnte nicht viel mehr tun, als sich hartnäckig an den Speeren festzuhalten und hasserfüllt in die schwarzen Augen der Männer ihm gegenüber zu starren.
    Etwas in ihm erinnerte sich an Munisais Worte – dass man zweimal hintereinander fünf Minuten lang kämpfen können müsse. Er war erstaunt, wie schnell sich die Erschöpfung in ihm breitmachte. Damals hatte er geglaubt, Munisai spreche davon, ein Schwert zu schwingen, hier aber führte allein schon der Versuch, das Gleichgewicht zu wahren und mit selten genutzten Muskeln zu ziehen und zu stoßen, dazu, dass ihm vor Anstrengung schwindelig wurde.
    Wie lange das so ging, war nicht zu sagen, aber irgendwann änderte sich etwas: Eine Gruppe von Männern schöpfte von irgendwoher frische Kraft und Inspiration. Ein heftiger Stoß ging durch die Menge, die sich daraufhin ein wenig verschob, was dazu führte, dass der Junge zwischen zwei Männern eingequetscht war, ohne dass seine Füße noch den Boden berührten. Er schnappte nach Luft, nun vollends hilflos.
    Ehe die Angst vor dem Ersticken einsetzen konnte, fiel etwas vom Himmel herab und traf ihn auf den bloßen Kopf. Er wusste nicht, was es war, aber es war hart und stumpf und schlug ihn bewusstlos, und einen Moment lang sah er nur noch Weiß, während eine schnell verstummende innere Stimme spekulierte, ob er sich nun wohl den Schädel gebrochen habe.
    Aus einer Platzwunde in seiner kahlrasierten Kopfhaut lief ihm Blut übers Gesicht. Wie aus weiter Ferne hörte er die unverständlichen Laute seines eigenen Stöhnens. Dann verschwand auch das, und der Schlag seines eigenen Herzens wurde ihm schmerzlich bewusst. Dieser Schlag schien sich unter Krämpfen zu verlangsamen, wurde ruhiger, und der stete Rhythmus übertönte alles andere und lullte ihn ein, trug ihn hinfort ins Nichts.

    Da war der Himmel.
    Bennosuke wurde klar, dass er schon sehr lange in den Himmel sah, ohne dass

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