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Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition)

Titel: Ronin. Das Buch der Vergeltung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kirk
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erschöpften Truppen Tokugawas ab. Zehn Reihen hinter der vordersten Front des Speerkampfs hielt er Ausschau nach Befehlen oder eigener Verstärkung, doch weder Fürst Ukita noch irgendeiner seiner Generäle waren irgendwo zu sehen.
    Und auch keiner der anderen Fürsten. Sie waren verschwunden. Fortgeritten.
    Geflohen?
    Der Marschall hörte die Wildheit der noch ganz frischen Stimmen der Kobayakawa, die sich nun fechtend und spießend ins Kampfgeschehen stürzten, und selbst ihm schauderte vor Angst. Er stählte sich, packte sein Schwert fester und brüllte sich endgültig die Seele aus dem Leib.
    Er sah einen Speer, der beiseitegeworfen wurde, und jemand löste sich aus dem Kampfgedränge. Er eilte hinüber, wie jemand, der im Eis unter seinen Füßen einen Riss entdeckt, und wies mit dem Schwert auf den Samurai.
    «Du!», brüllte er mit so viel Autorität, wie er nur aufzubringen vermochte. «Halt!»
    Der Mann machte keine Anstalten, dem Folge zu leisten, daher stellte sich ihm der Marschall in den Weg und legte ihm eine Hand auf die Brust. Der Samurai wich Fushimis Blick aus, und der Marschall sah, dass der Mann hechelte und am ganzen Leib zitterte. Er versuchte, sich an Fushimi vorbeizudrängen, doch der hielt ihn am Brustpanzer zurück.
    «Wir ziehen uns nicht zurück», sagte er ganz ruhig über das Kampfgetöse hinweg. «Wir stehen zusammen, und wir weichen nicht.»
    «Lasst mich los», wimmerte der Mann. «Bitte.»
    «Du gehst nirgends hin, es sei denn, man befiehlt es dir.»
    «Aber wer soll uns denn was befehlen? Die sind doch alle weg! Die haben uns doch längst im Stich gelassen!»
    «Unsere Fürsten sind immer noch hier», entgegnete Fushimi, obwohl er keinen Beleg dafür hatte.
    «Das ist doch gelogen! Lasst mich los!» Der Mann versuchte erneut, sich an ihm vorbeizudrängen.
    «Ich befehle es dir», knurrte Fushimi und hob die Hand. Er wollte den Mann an der Kehle packen und etwas Vernunft in ihn hineinrütteln. «Du wirst jetzt …»
    Da spürte er einen stechenden Schmerz in der Achselhöhle, und der Mann schob ihn von sich. Fushimi stellte plötzlich fest, dass ihm die Kraft fehlte, sich zu wehren, und dann zog der Mann den blutbenetzten Dolch heraus, den er dem Marschall unter dem erhobenen Arm in die Lücke der Rüstung gerammt hatte.
    «Verzeihung … Verzeiht, es ist nicht meine Schuld», stammelte er. Dann ging er weiter und blickte sich noch einmal um, indes der Marschall zu Boden sank und nicht einmal mehr über die Kraft verfügte, noch aufzuschreien.
    Fushimi saß mit gespreizten Beinen im Dreck und betrachtete das Blut an seinen Händen, wie ein Betrunkener, der seine letzten Münzen zählt. Der Marschall verspürte eine letzte große Aufwallung des Hasses auf die Schwäche dieser Welt, und während rings um ihn her die Schlacht weitertobte, kerbte sich ein bitteres Grinsen in sein Gesicht …

    Der große Fürst Ukita hatte sich selbst aus den Augen verloren.
    Oh, er wusste genau, wo er war: Er saß am Waldrand in leichter Rüstung auf einem unscheinbaren Pferd und sah von dort der Schlacht zu. Er wusste jedoch nicht, wo der Mann, den alle anderen fälschlich für ihn hielten, abgeblieben war – im Gedränge der Schlacht hatte er seinen Doppelgänger aus dem Blick verloren.
    Als die Speerkämpfer des Tokugawa-Heers nach dem Zweikampf der Besten angegriffen hatten, hatte sich der Fürst mit seinem Gefolge langsam und unauffällig in den Hintergrund zurückgezogen. Dort stieg er inmitten eines sorgsam arrangierten Menschenpulks vom Pferd und überließ einem seiner Leibwächter seinen Helm mit der unverwechselbaren Zierde und sein Pferd. Während sein Doppelgänger auf dem in Clan-Farben geschmückten Ross davongeritten war, hatte Ukita diese schlichte Stute bestiegen und sich verstohlen dorthin zurückgezogen, wo er sich jetzt befand. Seine fünfzig besten Kavalleristen warteten an seiner Seite, und die Hufe ihrer Pferde scharrten zwischen den mächtigen Baumstämmen den Boden auf.
    Mit Feigheit hatte das nichts zu tun. Solche Täuschungsmanöver waren eine gültige und vernünftige Strategie.
    Der Beweis dafür zeigte sich jetzt auf der rechten Flanke des Schlachtfelds: Dort nahte das Hauptkontingent des Kobayakawa-Heers. Die ersten, eifrigsten Truppen hatten bereits ins Kampfgeschehen eingegriffen, und hinter ihnen rückte jetzt auch der Rest nach. Sie schwenkten umher und ordneten sich, nahmen sich die Zeit, ihren Angriff bestmöglich vorzubereiten, während Schwertkämpfer, Kanonen

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