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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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     gewesen ist, eine Generalversammlung des Metallarbeiterverbandes unter dem brausenden Gesang der Arbeiter-Marseillaise auseinandergeht.« 115 Der »Vorwärts« übernahm den Artikel, verzichtete aber auf die hier zitierten Sätze.
    Auch nach dem Magdeburger Parteitag wurde Rosa Luxemburg von vielen Wahlkreisorganisationen der Sozialdemokratie als Referentin
     gewünscht. Nicht allen Einladungen konnte sie sofort nachkommen.
    Dem Parteisekretär im niederrheinischen Reichstagswahlkreis Lennep-Remscheid-Mettmann, Albert Faure, hatte sie eine größere
     Agitationskampagne versprochen, als man ihr dort ihr Parteitagsmandat übertragen hatte. »Komme heute 6 Uhr – Rosa« 116 , telegraphierte Rosa Luxemburg am 5. Mai 1911 aus Berlin nach Solingen. Wilhelm Dittmann, Redakteur der »Bergischen Arbeiterstimme«,
     traf sofort die nötigen Vorbereitungen, und am nächsten Tag konnte Rosa Luxemburg ihre Agitationstour beginnen. In diesen
     zehn Tagen mußte Rosa Luxemburg ein »ordentliches Stück Arbeit« 117 leisten. Der Vormittag war dem alltäglichen Geschäft gewidmet: Lektüre der Tagespresse, Briefe, Artikel. Während ihres Aufenthaltes
     in Solingen entstand für die »Leipziger Volkszeitung« der Artikel »Gefährliche Neuerungen«, in dem sie die Kandidatur des
     Sozialdemokraten Hugo Lindemann für das Amt des Stuttgarter Oberbürgermeisters kritisierte. 118 Am späten Nachmittag fuhr sie mit der Bahn zum jeweiligen Versammlungsort. Wilhelm Dittmann begleitete sie. Er stand ihr
     in der Diskussion zur Seite und stellte sich dabei vielen Wählern als Kandidat für den Reichstag vor.
    Meist folgten 800 bis 1000 Leute ihrem zweistündigen Vortrag aufmerksam und spendeten tosenden Beifall. Die bürgerliche Presse
     sorgte durch ihre Hetze mit dafür, daß die Veranstaltungslokale überfüllt waren. Auch viele bürgerliche Parteigänger und Indifferente
     wollten die »radikale sozialdemokratische Schriftstellerin und Lehrerin an der Berliner Parteischule« erleben.
    |374| Am 10. Mai, dem einzigen freien Tag, ruhte sie sich einmal »herrlich« aus. »Es war aber auch nötig« ließ sie Kostja Zetkin
     wissen, denn meist traf sie erst nach Mitternacht wieder in Solingen ein, wo sie nahe der Redaktion der »Bergischen Arbeiterstimme«
     ein Appartement im Hotel Monhoff bezogen hatte. »Diese Tour tut mir im ganzen gut. Ich werde ein bißchen durchgerüttelt und
     hoffe zu Hause besser arbeiten zu können als vorher.« 119
    Das bürgerliche Lager hatte sich bereits provoziert gefühlt, als Rosa Luxemburg am 11. April 1910 im Kaisersaal zu Solingen
     auf einer großen Wahlrechtskundgebung sprach, und sich über ihr Parteitagsmandat gehörig mokiert. Albert Faure lud Professor
     Schloßmann, den Bezirksvorsitzenden der Fortschrittlichen Volkspartei aus Düssendorf, freundlichst ein, seine »Ausstellungen
     gegen die Wahl Frl. Dr. Luxemburgs und gegen deren Ansichten ihr jetzt Auge in Auge gegenüber öffentlich vor[zu]tragen. […]
     Selbstverständlich wird Ihnen volle Redefreiheit gewährt werden.« 120
    In Langenberg schließlich, am vorletzten Tag, erschien Schloßmann mit etwa zwanzig Anhängern. 121 Seine Rede strotzte vor unflätigen Beschimpfungen: Rosa Luxemburg sei politisch unsympathisch, phrasenhaft und als »Radikalinski«
     keine geeignete Vertreterin dieses Wahlkreises. Er sei ja auch für Rüstungseinschränkungen, aber nicht alle Rüstung sei sinnlos
     – schließlich gebe der Schiffsbau den Arbeitern Lohn und Brot. 122 »Er holte sich dabei aber unter dem Jubel der Versammlung eine glänzende Abfuhr von mir«, schrieb Wilhelm Dittmann und hob
     das Schlußwort seiner Genossin hervor, »die mit ihrer klaren Stimme und ihren logisch und scharf pointierten Argumenten die
     überfüllte Versammlung zu immer neuen Beifallsstürmen hinriß« 123 . Schloßmanns Plädoyer für die bestehenden Verhältnisse und seine bürgerlich-liberale Fortschrittlerei waren von Rosa Luxemburg
     gewohnt spitzzüngig retourniert worden: »Alles will sozial sein, durch und durch! Alles will demokratisch sein, durch und
     durch! Aber niemand will: sozialdemokratisch sein.« 124
    Dittmann war nicht nur von den rhetorischen Fähigkeiten seiner Mitstreiterin beeindruckt. »Ich fand viel Gelegenheit«, erinnerte
     er sich, »mich mit ihr über alle möglichen Wissensgebiete |375| und Gegenstände auszusprechen, und mußte dabei immer staunen über ihre ungewöhnlichen Kenntnisse und ihre enorme Belesenheit,
     zugleich

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