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Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.

Titel: Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelies Laschitza
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und Otsowisten gemeinsam zu führen. Die Bolschewiki sollten das Schmitsche
     Legat der zentralen Parteikasse übergeben. Lenin, der dem »Versöhnungsplan« mißtraute, setzte jedoch durch, daß der Fonds
     zeitweilig bei drei Vertretern der deutschen Sozialdemokratie deponiert wurde, damit die Bolschewiki ihn zurückfordern konnten,
     falls sich die Menschwiki nicht an gemeinsame Beschlüsse hielten. Er wollte lieber eine völlig selbständige Organisation der
     Bolschewiki schaffen, als sich den anderen Parteien oder Gruppen unterzuordnen. Wie bereits im Dezember 1910 angekündigt,
     verlangten die Bolschewiki 1911 das Geld zurück. Die mit den Verhältnissen in der SDAPR wenig vertrauten Treuhänder waren
     jedoch der Ansicht, der Fonds stehe der Gesamtpartei zu, konnten sich aber der Forderungen, Proteste und Emissäre der verschiedenen
     Fraktionen der SDAPR kaum erwehren.
    In dem heiklen Gerangel um das Vermögen, das der 1907 verstorbene Moskauer Möbelfabrikant N. P. Schmit, Teilnehmer der russischen
     Revolution 1905 und Sympathisant der Bolschewiki, der SDAPR vermacht hatte, war Lenin eine Hauptfigur. Rosa Luxemburg bezeichnete
     ihn in diesem Zusammenhang als Kampfhahn, der Fraktionsgezänk über alles stelle. 202
    |399| Dennoch versagte sie ihm ihre Sympathie nicht gänzlich, zumal auch Lenin hin und wieder zu erkennen gab, daß er sie schätzte
     und achtete. »Ich rede mit ihm gern«, schrieb sie, »er ist gescheit und gebildet und hat eine gar so häßliche Fratze, die
     ich gern sehe.« 203 Es schmeichelte ihr obendrein, daß ihm ihre Katze Mimi mächtig imponierte. Nur in Sibirien habe er so stattliche Tiere gesehen,
     Mimi sei eine herrschaftliche Katze, meinte er, der Rosa Luxemburg 1911 mehrmals besuchte. »Sie kokettierte auch mit ihm,
     wälzte sich auf dem Rücken und lockte ihn, versuchte er aber, sich zu nähern, dann haute sie ihn mit dem Pfötlein und fauchte
     wie ein Tiger.« 204 Rosa Luxemburg beobachtete sein Spiel mit Vergnügen und genoß Lenins Komplimente.
    Es fiel ihr aber nicht schwer, im Juni 1911 abzusagen, an der von Lenin gegründeten Parteischule in Longjumeau zu unterrichten,
     obwohl die Entfernung von Paris nur 15 km betrug. Sie wollte nicht für den Richtungskampf in der SDAPR ausgenutzt werden. 205
    Rosa Luxemburg und Lenin stimmten als entschiedene Antimilitaristen im Kampf um die Erhaltung des Friedens überein, für die
     Lösung von Parteikrisen der SDAPR fanden sie hingegen keinen gemeinsamen Nenner. Die polnische Sozialdemokratie folgte der
     Orientierung der II. Internationale auf je eine sozialistische Partei in einem Lande. Als sich auf dem VI. Parteitag der SDAPR
     im April 1906 in Stockholm die seit dem II. Parteitag im Jahre 1903 gespaltenen Bolschewiki und Menschewiki wieder vereinigten,
     schlossen sich die polnischen und lettischen Sozialdemokraten sowie der Jüdische Arbeiterbund der russischen Sozialdemokratie
     an. Leo Jogiches, der seit 1902/03 die Aktionen der SDKPiL leitete, verdeutlichte deren Anliegen in diesem Verbund wie folgt:
     »Wir bilden ein Gegengewicht gegen das eng-fraktionelle Bestreben der Bolschewiks einerseits und gegen die opportunistischen
     und desorganisierenden Bestrebungen der Menschewiks andererseits und tragen so sehr zur Bewahrung der Einheit der Partei bei:
     Angesichts der gegebenen fraktionellen Zusammensetzung des ZK sowie auch des zahlenmäßigen Verhältnisses der Richtungen auf
     den Parteikonferenzen haben die polnischen Stimmen einen eminenten Einfluß ausgeübt. Richtschnur unserer Tätigkeit |400| war […] das Bestreben, organisierte Fraktionen zu eliminieren, die eine einheitliche Parteitätigkeit untergraben, und sie
     durch den Kampf nicht organisierter ideologischer Strömungen zu ersetzen und die Bolschewiks und Menschewiks in allen Aktionen
     des Zentralkomitees und in den von ihm geschaffenen Institutionen in gemeinsamer Arbeit zu vereinen.« Auf der Gesamtkonferenz
     der SDAPR im November 1907 setzte die SDKPiL eine von ihr eingebrachte Resolution durch, die mit dem Zentralkomitee konkurrierende
     organisierte Fraktionen und Fraktionszentren verbot. »Angesichts der offenen Bestrebungen der Bolschewiks, die darauf abzielten,
     die Menschewiks aus verschiedenen gemeinsamen Kommissionen und vor allem aus der Redaktion des Zentralorgans auszuschließen
     […], haben wir den Menschewiks mit unseren Stimmen die Möglichkeit gesichert, sich an den Zentralinstitutionen zu beteiligen,
     sehr oft in gleicher Zahl

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