Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
Warski übergeben, der darüber Feliks Dzierżyński berichtete. Das handschriftliche
Manuskript enthält redaktionelle Korrekturen von Leo Jogiches. Außerdem existiert eine maschinenschriftliche Abschrift, denn
es sollte veröffentlicht werden.
Die angestrebte Einigung kam jedoch nicht zustande, im Gegenteil – mit der 1912 von Lenin veranstalteten Prager Allrussischen
Konferenz der SDAPR war die Spaltung endgültig besiegelt. Daraufhin publizierte Rosa Luxemburg im Juli 1912 im »Czerwony Sztandar«
einen anonymen Artikel, in dem sie ebenso eindeutig wie in ihrem Manuskript von 1911 Lenins Politik in Organisationsfragen
und den von ihm herbeigeführten Bruch in der russischen Sozialdemokratie verurteilte. Der Führer der Bolschewiki habe noch
vor der Revolution 1905 die Einheit der Partei zerschlagen, »um seine Vorstellung[en] von Organisation zu retten, denen zufolge
das Zentralkomitee alles, die eigentliche Partei aber nur sein Anhängsel ist, eine seelenlose Masse, die sich mechanisch auf
den Wink des Führers bewegt wie eine exerzierende Armee auf dem Paradeplatz oder wie ein Chor, der nach dem Taktstock des
Kapellmeisters singt« 214 .
Das »Credo« gehört neben dem Artikel »Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie« (1904) und dem Manuskript »Zur
russischen Revolution« (1918) zu den wichtigsten Arbeiten Rosa Luxemburgs über die Politik Lenins und verdeutlicht die prinzipiellen
Unterschiede beider in Fragen der Einheit der Partei und der innerparteilichen Demokratie. Rosa Luxemburg skizzierte noch
einmal die Beschlüsse des Januarplenums des ZK von 1910 und die Entwicklung der letzten1 ½ Jahre. In ihrem Plädoyer für die
Einheit der russischen Sozialdemokraten |405| wandte sie sich gegen das abstoßende endlose Fraktionsgezänk, unter dem die Politik und der Einfluß der Partei litt. Sie verurteilte
sowohl das niederträchtige Vorgehen Martows als auch das heuchlerische Maklertum von Trotzki und den Organisationszentralismus
Lenins und seiner Freunde. Letztere wollten dem Proletariat die revolutionäre Richtung sichern, indem »sie die Partei rein
mechanisch in die Windeln einer geistigen Diktatur des zentralen Vorstands wickelten« 215 . In der politischen Einschätzung der Menschewiki und der Vorgehensweise von Trotzki stimmten SDKPiL und die Gruppe um Lenin
weitgehend überein, aber über die Methode des Umgangs mit ihnen gab es ernsthafte Differenzen. Rosa Luxemburg sprach sich
gegen den gegen fraktionelle »Faustabrechnungen« aus. Durch die undifferenzierte Behandlung der verschiedenen Gruppierungen
und Personen und seinen blinden Radikalismus habe Lenin der Partei nicht weniger Schaden zugefügt als die Menschewiki, die
sich liquidatorischer Zynismen bedienten.
Zu den brennenden Aufgaben der gesamtstaatlichen Partei zählte sie »Zusammenführung und Stärkung der Organisationen für den
Wahlkampf, Regulierung und Stärkung des gewerkschaftlichen Kampfes mit Rücksicht auf die Belebung der Massenbewegung und der
Streikwelle. Regelung des Problems der legalen Tätigkeit, Wiedererrichtung der Zentren der illegalen Arbeit«. Erneut forderte
sie eine Konferenz, »zu der alle Organisationen und Richtungen einberufen werden sollten, die sich zur Partei zählen« 216 , verteidigte die Pariser Zusammenkunft vom Juni 1911 sowie die Taktik der SDKPiL-Vertreter. »Pflicht aller Genossen ist es
nun«, folgerte sie am Ende, »mit aller Kraft diese Vorarbeiten zur Einberufung einer Gesamtparteikonferenz zu unterstützen.
Die Sozialdemokratie muß noch einmal die innere Zersetzung überwinden, muß mit harter Hand die Hydra dieser wilden Instinkte
des Fraktionstums, die ihr Inneres zerfleischen, und auch den an ihr nagenden Krebs des opportunistischen Liquidatorentums
erdrosseln.« 217 Die Spaltung der SDAPR war jedoch nicht zu verhindern, und 1912 kam es auch zu einer Zerreißprobe in der SDKPiL.
|406| Antreiben ist bei mir nicht nötig
Rosa Luxemburg war nicht Mitglied des Hauptvorstandes der SDKPiL, unterstützte die Partei aber ständig durch Artikel, das
Organisieren von Solidaritätsspenden und persönliche Kontakte zu Vertretern der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung.
Am 30. März 1912 erklärte sie im »Vorwärts«: »Wir sind sowohl gegen die Spaltungsversuche von links, wie gegen die Spaltungsversuche
von rechts, sowohl gegen die unsinnige Faustpolitik der Ausschließungen im angeblichen Interesse des
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