Rosa Luxemburg - Im Lebensrausch, trotz alledem.
Nebensächlichkeiten aufzuregen, wenn nur im Großen und Ganzen die Dinge ihren richtigen Weg gehen. Ich vertraue da am
meisten auf die objektive Logik der Geschichte, die ihr Werk der Aufklärung und Differenzierung unermüdlich vollzieht. […]
Natürlich verfalle ich nicht etwa in bequemen Fatalismus, davon keine Rede. Ich möchte Dir nur die ruhige Sicherheit mitteilen,
die ich habe, die immer damit rechnet, daß dies oder jenes Detail nicht richtig gemacht, verbummelt oder überstürzt wird,
und doch dabei nur die große Hauptlinie im Auge behält.« 95
Bald jedoch überstürzten sich die Ereignisse für Rosa Luxemburg wieder, und sie mußte in Beratungen mitentscheiden. Dabei
konnte auch sie nicht immer Geduld und Ausgeglichenheit wahren.
Werden siegen, wenn wir zu lernen nicht verlernt haben
Am 19. März 1916 traf Rosa Luxemburg in Berlin das erste Mal nach ihrer Haftentlassung mit mehreren Anhängern der Spartakusgruppe
zusammen. Zu dieser illegalen Konferenz, die von ihr, Karl Liebknecht, Franz Mehring, Ernst Meyer u.a. einberufen worden war,
erschienen 34 Vertreter aus den 8 Wahlkreisen |522| von Berlin und Umgebung und aus 17 weiteren Städten Deutschlands. Ernst Meyer informierte über die Vorgänge, die im Februar
1916 in Berlin zur Spaltung der Opposition geführt hatten, andere berichteten über die Antikriegsarbeit in ihren Bezirken.
Berta Thalheimer gab einen Überblick über die Sitzung der Erweiterten Beratung der Internationalen Sozialistischen Kommission
vom 5. bis 8. Februar 1916 in Bern, und Karl Liebknecht hielt einen Vortrag über die Aufgaben der Opposition in Deutschland.
Vor Karl Liebknecht referierte Rosa Luxemburg zur Internationale und zur bevorstehenden Zweiten Zimmerwalder Konferenz. Es
war für sie die erste Gelegenheit, sich vor der Spartakusgruppe zu ihren »Leitsätzen über die Aufgaben der internationalen
Sozialdemokratie« zu äußern und zu den Bedenken und Widerständen, die es innerhalb der Opposition gab, Stellung zu nehmen.
Sie betonte einmal mehr, daß es auf den revolutionären Kampfgeist und auf Aktionen der Massen ankomme, die organisationspolitische
Form werde sich finden. Und so lautete auch ihre Resolution. 96
Die Zimmerwalder Bewegung sei als Symptom der revolutionären Orientierung zu begrüßen, dürfe aber nicht überschätzt werden.
Die Delegation der Spartakusgruppe müsse diesem internationalen Forum signalisieren, daß in Deutschland eine wirkliche Opposition
besteht. In diesem Sinne beschloß die Konferenz für die weitere Arbeit drei Resolutionen, auch die von Rosa Luxemburg verfaßte.
Die Resolution zur Organisierung von Massenaktionen gegen den Krieg hatte Karl Liebknecht vorgelegt und begründet.
Rosa Luxemburg schaltete sich direkt in die Vorbereitung der Zweiten Zimmerwalder Konferenz ein. Ein von ihr erbetenes Treffen
mit dem Schweizer Journalisten und sozialistischen Arbeitersekretär Robert Grimm, der organisatorischen Seele der Zimmerwalder
Bewegung, kam nicht zustande.
Berta Thalheimer übermittelte die Resolutionen an die Internationale Sozialistische Kommission nach Bern. Ernst Meyer, der
die Spartakusgruppe mit Berta Thalheimer auf der Zweiten Zimmerwalder Konferenz vertrat, trug sie vor. Er konnte auf dieser
Tagung, die am 25. April 1916 in Kienthal stattfand, auch mitteilen, daß etwa 500 Personen in zahlreichen Orten Deutschlands |523| im Sinne der Spartakusrichtung wirkten. 97 Die linken Kräfte, die auf Massenaktionen gegen den Krieg hinwirkten, gewannen allmählich auch international an Einfluß,
die wichtigsten Forderungen der Bolschewiki – die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg, Eintritt
für die Niederlage der »eigenen« Regierung und Organisierung einer III. Internationale – wurden aber wiederum nicht gebilligt.
Die Fortsetzung der Auseinandersetzung innerhalb der sozialdemokratischen Opposition betrachtete Rosa Luxemburg als einen
zentralen Punkt ihrer Arbeit für die Spartakusgruppe. Bei ihren Disputen schöpfte sie aus dem Manuskript »Die Politik der
sozialdemokratischen Minderheit«, das sie für die geplante Broschürenreihe »Entweder-Oder« verfaßt hatte, die während des
Krieges nicht publiziert werden konnte. Sie zweifle nicht am guten Willen eines Georg Ledebour, Hugo Haase oder Adolph Hoffmann,
aber gebraucht würden jetzt unerschrockene und schroffe Kämpfer und keine Schaukelpolitiker, Schwächlinge oder zaghafte
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