Rosa Rosen
unserem Haus geholt und zusammen mit zwei anderen jüdischen Familien in ein anderes gesteckt. Mama, Papa und ich müssen uns ein Zimmer teilen. Mir ist eh alles egal. Ich will nur meinen Nathan zurück!
Ich habe keine Hoffnung mehr, dass wir nach Amerika oder irgendwohin kommen. Sie verweigern uns nämlich jetzt sogar die Ausreise. Erst wollten sie uns raushaben, und jetzt stellen sie uns keine Papiere zum Auswandern mehr aus. Was haben sie nun nur mit uns vor?
Bitte bete für uns, liebe Abby.
Ich liebe Dich über alles.
Deine Rachel
Todesurteil
Abigail fühlte zutiefst mit ihrer Freundin. Sie hörten in den Staaten Berichte über Konzentrationslager und welch grausame Dinge den Menschen dort angetan wurden. Je schlimmer die Nachrichten wurden, desto schlimmer stand es um Abigails Eltern. Ihr Vater gab sich tapfer, doch sie hatte ihre Mutter mehr als einmal weinen gesehen, aus Angst um Levi, der noch immer irgendwo in Deutschland oder in Europa war. Wenn sie doch nur wüssten, wo. Und ob es ihm gut ging.
Doch Abigail hatte auch ihre eigene Bürde zu tragen. Sie war bereits zwanzig Jahre alt und noch immer mit James zusammen. Sie besuchte eine Sekretärinnen-Schule, während James am College Bauingenieurwesen studierte. Er träumte davon, die nächsten Wolkenkratzer zu bauen. Noch höhere als das Empire State Building.
Doch die USA befanden sich im Krieg und James fühlte sich dazu verpflichtet, für sein Vaterland zu kämpfen. Er meldete sich freiwillig zum Dienst, obwohl Abigail ihn inständig darum bat, nicht zu gehen. Doch er sagte, er könnte nicht damit leben, seinem Land nicht zu dienen, während andere sich für ihn in den Kampf stürzten.
Er machte Abigail eine Woche, bevor er in den Krieg zog, einen Antrag. Er wollte vorher noch schnell heiraten, damit ihr eine Abfindung zustand, falls ihm etwas passieren sollte. Außerdem wollte er ihr so seine Liebe beweisen.
Doch Abigail sagte ihm, so wolle sie auf gar keinen Fall heiraten. Er solle, wenn er denn unbedingt wolle, in den Krieg ziehen, und sie würde auf ihn warten. Doch seine Frau werden würde sie erst, wenn er wieder zu ihr zurückkäme und wenn der verdammte Krieg endlich vorbei war.
„Wir werden die Schweine besiegen!“, sagte er ohne jeden Zweifel. Dann machte er sich auf ins Trainingslager, und von dort zu seinem ersten Einsatz nach Japan.
Abigail dachte immer daran, wie sie sich verabschiedet hatten. Es war sehr tränenreich gewesen und James hatte ihr eine wunderschöne goldene Kette mit einem Herzanhänger geschenkt. Sie hatte ihm versprochen, auf ihn zu warten, egal, wie lange er weg sein würde. Sie würde keinen anderen haben. Und er hatte ihr dasselbe versprochen. Die Trennung fiel schwer und Abigail betete, dass alles gut gehen und er heil zurückkommen würde.
Er band ihr die Kette um und sie schwor sich, sie niemals abzunehmen.
Die folgenden Wochen und Monate waren eine Qual. Sie hörten in den Nachrichten von den Bombenanschlägen auf Japan. Und Abigail stellte sich vor, wie schrecklich James sich fühlen musste mit dem Wissen, Menschen getötet zu haben. Sie liebte ihn dennoch und würde ihm helfen, darüber hinwegzukommen. Sie wünschte nur, er wäre endlich wieder bei ihr. Und sie zählte die Tage.
*
17. April 1942
Liebe Abby,
Ich freue mich sehr, dass Du mir geschrieben hast und dass mich Dein Brief auch erreicht hat.
Wie geht es Dir? Nun sind wir also beide von unseren Geliebten getrennt. Ist es nicht schrecklich? Hörst Du wenigstens ab und zu von Deinem James? Ich habe noch immer nichts von Nathan gehört. Ich sterbe fast vor Sorge.
Sie haben uns die Eiermarken, die Fleischmarken und die Milchmarken gestrichen. Wo wir doch so schon nicht genug zu essen hatten, leben wir jetzt von Brot und Kartoffeln.
Erzähl mir von dem leckeren Essen in Amerika. Isst Du immer noch diese Hamburger und Cheeseburger oder hat Deine Mutter Dir deswegen schon den Hals umgedreht?
Ich würde so gerne einen Hähnchenschenkel essen. Das wäre wundervoll. Wenn der Krieg vorbei ist, werde ich jeden Tag Hähnchenschenkel essen. Vielleicht werde ich sogar einen eigenen Bauernhof haben und Hühner. Dann kann ich, wann ich will, welche essen. Und Nathan ist bei mir und mistet die Scheune aus und erntet das Getreide. Und meine kleine Tochter namens Abigail hilft mir die Hühner füttern. Und wir haben eine Kuh, und jederzeit frische Milch. Und Ihr kommt uns besuchen, Du und Dein James und Eure Kinder. Und bring ruhig Deine
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