Rose Harbor und der Traum von Glueck
Vance.
» Was ist passiert? «
Sie straffte die Schultern. » Du bist ihm entgegengetreten und hast ihn in die Schranken gewiesen. Gesagt, er soll die Klappe halten. «
» Tatsächlich? « Josh konnte sich an den Vorfall immer noch nicht erinnern.
» Du hast ihm erklärt, wenn jemand abstoßend sei, dann er. Nicht äußerlich, das nicht, aber seine Seele sei so hässlich wie die Nacht und so böse wie die Hölle. « Die Erinnerung entlockte ihr ein Lächeln. » Du sagtest ihm auf den Kopf zu, dass er sich nur dann stark fühlen würde, wenn er Schwächere niedermacht. «
» Wirklich? «
» Wortwörtlich. Im Korridor hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Und dann fügtest du hinzu, dass du Mitleid mit ihm hättest. Alle hielten den Atem an und fragten sich, was Vance tun würde. «
» Er ist einfach weggegangen, nicht wahr? « , flüsterte Josh, in dessen Gedächtnis eine schwache Erinnerung aufleuchtete.
» Genau. Und ich glaube, niemand war darüber schockierter als Vance selbst. Ich habe ihn später noch einmal gesehen – weißt du, was er getan hat? «
Josh zuckte die Schultern, weil er es wirklich nicht zu sagen vermochte.
» Er hat sich bei mir entschuldigt. «
Er schaute sie ungläubig an. » Das gibt es ja nicht! «
» Was du gesagt hast, war das denkbar Klügste « , meinte Michelle. » Es hat ihn komplett ausgehebelt. Du hast dich nicht direkt auf mich bezogen, dich auf keinen Streit eingelassen, sondern ihm einen Spiegel vorgehalten. Ihm die Schäbigkeit seines Verhaltens vor Augen geführt, und das hat ihm scheint’s zu denken gegeben. Ihn geläutert, wenn du so willst. «
Josh brauchte einen Moment, um eins und eins zusammenzuzählen. Michelle hatte die alte Geschichte nicht ohne einen besonderen Grund aufgewärmt.
» Du machst im Moment so ziemlich dasselbe mit mir, oder? «
Sie legte den Löffel beiseite. » Josh, bitte begeh nicht den Fehler, Richard im Stich zu lassen. Wenn du das tust, wirst du deine unbewältigten Probleme ewig mit dir herumschleppen. Richard verhält sich mies, aber es ist eine Art Selbstschutz. Weil er nicht auf dich angewiesen sein will und schon gar nicht zugeben kann, dass er dich eigentlich braucht. Schau hinter die Fassade seines schlechten Benehmens und bring so viel Geduld mit ihm auf wie möglich. «
Zweifellos hatte sie wieder mal recht, obwohl ihm der Gedanke, auf ihre Bitte einzugehen, widerstrebte.
» Er tut mir tatsächlich ein bisschen leid « , sagte er lahm.
» Also bleibst du? « , fragte sie.
Nach einem Moment nickte er. Es gefiel ihm nicht, doch er wusste, wann er sich geschlagen geben musste.
Michelle griff über den Tisch nach seiner Hand und drückte sie fest. » Danke. «
Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, beglich Josh die Rechnung, und gemeinsam fuhren sie zu Richards Haus zurück.
Er trat ein und rief laut: » Wir sind wieder da! «
Keine Antwort.
» Richard? «
Josh fand seinen Stiefvater heftig nach Atem ringend in seinem Sessel sitzend.
» Richard? « , wiederholte er.
Der Kranke keuchte. Es sah aus, als leide er unter akuter Luftnot.
» Ruf den Notarzt « , brüllte Josh.
Kurz darauf versicherte Michelle, dass der Krankenwagen jeden Moment eintreffen müsse.
Josh hoffte nur, dass die Hilfe noch rechtzeitig kam. Er eilte ins Badezimmer und riss das Medizinschränkchen auf. Auf den Regalen reihte sich eine Unmenge von Medikamenten. Was sollte er nehmen?
Aspirin? Angeblich erweiterte das die Gefäße. Er schüttete vier Stück in die hohle Hand, hastete ins Wohnzimmer zurück und schob Richard die Tabletten in den Mund.
» Kau sie, Richard « , befahl er. » Kau und schluck. Schluck sie so schnell wie möglich hinunter. «
Zum Glück traf gleich darauf der Rettungswagen ein, der Richard ins Krankenhaus nach Bremerton brachte. Josh und Michelle folgten ihm in seinem Wagen. Nachdem er die Aufnahmeformulare ausgefüllt hatte, saßen sie in der Notaufnahme und hielten einander bei den Händen. Es dauerte fast eine Stunde, bis ein Arzt auf sie zutrat. Sein Namensschild wies ihn als Dr. Abraham Wilhelm aus.
Josh erhob sich. » Wie geht es ihm? « , erkundigte er sich.
Der Gesichtsausdruck des Arztes sagte mehr, als Worte es vermochten.
» Im Moment ist er stabil. Tatsache ist und bleibt indes, dass es vermutlich bald zu Ende geht. Angesichts seines geschwächten Zustands würde ich ihn gern stationär aufnehmen, nur weigert er sich. «
» Wie viel Zeit geben Sie ihm noch? « , fragte Michelle.
» Ich
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