Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
allein sein wolltest, kamst du auf die Idee, mich mit Arbeit zu überhäufen und kreuz und quer durchs Land zu schicken. Leider ließ ich mich darauf ein – nicht zuletzt, weil ich nebenbei MacPherson überführen wollte. Auch das ist mir gelungen. Hier gibt es nichts mehr für mich zu tun. Wenn du mich jetzt entschuldigst … Ich möchte meine Sachen packen.«
»Wohin gehst du?«
Harrison antwortete erst, als er die Tür erreichte. »Nach Hause.«
Adam Clayborne wurde wegen Mordes vor Gericht gestellt. Davon erfuhr Harrison im Mietstall von Hammond, wo er einen Pferdewagen kaufte, um sein Gepäck nach Blue Belle zu befördern. Nun besann er sich anders.
»Ja, Sir, bald werden wir ihn hängen sehen«, frohlockte ein alter Stallknecht. »Zwei elegante Jungs aus den Südstaaten haben ihren Anwalt mitgebracht. Offenbar wollen sie Richter Burns veranlassen, den Angeklagten ihrer Obhut zu übergeben, damit sie ihm daheim den Prozess machen können. Aber die Leute hier bezweifeln, dass der Richter darauf eingehen wird. Sonst wäre ganz Hammond bitter enttäuscht. Heute wird die Verhandlung abgewickelt, und die meisten Stadtbewohner versammeln sich in Blue Belle. Morgen werden noch mehr dazukommen, auch aus der näheren Umgebung, und ein Volksfest feiern, rings um den Galgen.«
Harrison hatte alles gehört, was er wissen musste, rasch kaufte er ein Pferd, warf dem Mann zwanzig Dollar zu und beauftragte ihn, seine Sachen nach Blue Belle transportieren zu lassen.
»Offenbar haben Sie’s eilig und wollen nichts versäumen«, meinte der Stallknecht, während Harrison den Rappen sattelte. »Zwei Stunden wird’s wohl noch dauern, bis das Verfahren anfängt.«
»Adam Clayborne ist unschuldig«, erklärte Harrison und schwang sich aufs Pferd.
»Das spielt keine Rolle. Er ist ein Schwarzer, von Weißen angeklagt, also wird er aufgeknüpft …« Verwirrt verstummte der alte Mann, als er merkte, dass er mit der leeren Luft sprach. Harrison war bereits davongaloppiert.
In halsbrecherischem Tempo ritt er nach Blue Belle und hoffte inständig, er würde nicht zu spät ankommen. Mit eigenen Augen hatte er noch keinen Lynchmob im Wilden Westen beobachtet, aber haarsträubende Berichte darüber gelesen. Noch wusste er nicht, wie er Adam retten sollte. Aber er würde Mittel und Wege finden, gesetzliche oder andere.
Was mochte jetzt in Mary Rose vorgehen? Daran wagte er gar nicht zu denken.
Die Verhandlung fand in einem unbenutzten Lagerraum gegenüber von Morrisons Laden statt, und die Stuhlreihen waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Mary Rose saß zwischen Adam und Travis auf der Anklagebank, Douglas und Cole warteten draußen, weil der Richter ihnen den Zutritt verweigerte – aus Angst, die hitzigen Temperamente könnten außer Kontrolle geraten.
Am Tisch gegenüber den Claybornes hatten sich Adams Ankläger niedergelassen – ein Anwalt und Livonias Söhne, die Mary Rose an widerwärtige Reptilien erinnerten. Sie ertrug es nicht, die beiden anzuschauen.
Energisch schlug Burns mit seinem Hammer auf den Richtertisch und rief, alle sollten den Mund halten, sonst würde er den Saal räumen lassen. Seine Worte drangen kaum in Mary Roses Bewusstsein. Wie benommen starrte sie vor sich hin. Alle Leute außerhalb von Blue Belle hatten sich gegen Adam gewandt. Aus lächelnden Bekannten waren Feinde geworden. Seine Güte zählte nichts mehr, nur seine dunkle Hautfarbe. Und er hatte angeblich einen Weißen ermordet. Mehr brauchten sie nicht zu erfahren. Adam war schuldig, ganz egal, unter welchen Umständen. Am liebsten hätten sie ihn auf die Straße gezerrt, um ihn zu lynchen.
Wie soll ich das Schlimmste verhindern?, überlegte Mary Rose verzweifelt. Adam saß ruhig und gefasst neben ihr. Obwohl er wusste, was ihm drohte, zeigte sein Gesicht nur milde Neugier.
Wieder schlug der Richter mit seinem Hammer auf den Tisch, um seine Entscheidung zu verkünden, was Adams Auslieferung an die Kläger betraf. »Offenbar sind Ihre Dokumente in Ordnung, Gentlemen …«
Hastig erhob sich der Anwalt, der Livonias Söhne begleitet hatte. Er hieß Floyd Manning, und als er sich vorstellte, betonte er, seine Familie habe schon über hundert Jahre lang in South Carolina gelebt. Offenbar glaubte er damit, jeden Zweifel an seiner Qualifikation zu beseitigen. »Sicher, alles ist legal. Können wir Clayborne jetzt mitnehmen? Sie müssen dem Gesetz gehorchen, da haben Sie keine Wahl.«
Gellendes Protestgeschrei erfüllte den Raum. Die
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