Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
aussiehst, wenn du rot wirst.«
»Unsinn, ich werde nicht rot. Wenn meine Brüder mich auslachen, ist mir das egal. Sie sind nun mal unzivilisiert.«
»In England ist’s mir ziemlich schwer gefallen, mich zivilisiert zu benehmen.«
»O Gott, dann habe ich ja einen Mann geheiratet, der genauso ist wie meine Brüder!«
»Hoffentlich! Ein schöneres Kompliment konntest du mir gar nicht machen.«
»Ich hab’s euch ja gesagt.« Cole grinste triumphierend. »Er mag uns.«
»Da kommt jemand zum Haus!«, verkündete Douglas. »Ein Mann in einem vornehmen Anzug, der einen Zweispänner fährt.«
Erfreut sprang Harrison auf. »Alfred Mitchell! Der Anwalt, den ich engagiert habe! Wartet hier!«, befahl er den Brüdern, die alle aufstanden. »Erst will ich allein mit ihm reden. Ihr könnt ihn später kennen lernen.«
Rasch verließ er das Zimmer, ehe Adam sich erkundigen konnte, wer dieser Mitchell war. Und so richtete er die Frage an Cole.
»Harrison wollte sich über Livonias Söhne informieren. Also telegraphierte er einem Anwalt in St. Louis, der ihm einen Kollegen in South Carolina empfehlen sollte. Der Mann muss Tag und Nacht gefahren sein, sonst wäre er nicht so schnell hier.«
»Sollen wir an der Tür lauschen?«, fragte Travis.
»Nein«, entgegnete Adam. »Harrison soll sich ungestört mit diesem Anwalt unterhalten.«
Die Haustür wurde geöffnet und geschlossen, und wenig später kehrte Harrison ins Speisezimmer zurück – sichtlich verwirrt. Der Grund seiner Überraschung stand direkt hinter ihm.
Schwankend erhob sich Mary Rose. »Vater?«
Verdutzt musterten die Brüder den Neuankömmling, und Harrison beobachtete seine Frau. Sie war kreidebleich geworden und sah aus, als könnte sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Sofort eilte er zu ihr und umfasste ihren Arm.
Elliott betrachtete die Familie und wusste nicht, was er sagen sollte. Darüber hatte er sich während der ganzen Reise den Kopf zerbrochen. Wie sollte er den Claybornes klar machen, dass er sie als Familienmitglieder akzeptierte und hoffte, sie würden ihn in ihrer Mitte aufnehmen? Harrison las die Sorge in seinen Augen, beschloss ihm zu helfen und flüsterte in Mary Roses Ohr: »Dein Vater ist sehr nervös.«
Mehr musste er nicht sagen. Ihr Herz flog Elliott entgegen, sie eilte zu ihm und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. »Oh, ich freue mich so, dich wieder zu sehen, Vater!«
Erleichtert hielt er ihre Hände fest. »Kannst du mir verzeihen, meine Tochter? Ich bereue zutiefst, was ich dir angetan habe.«
Tränen brannten in ihren Augen. Da er so eindringlich gesprochen hatte, bezweifelte sie nicht, dass er es ehrlich meinte. »O Vater, ich liebe dich. Ich liebe auch Harrison, und ich muss ihm immer wieder irgendwas verzeihen. Er mir übrigens auch. Ich habe dir großen Kummer bereitet, als ich so plötzlich weggefahren bin, nicht wahr? Tut mir Leid.«
»Nein, nein, du musst dich nicht entschuldigen. Durch deine Abreise bin ich zur Vernunft gekommen. Du hast richtig gehandelt, Victoria.«
»Hier heiße ich Mary Rose, Vater.«
»Also gut – Mary Rose. Aber wirst du mir vergeben, wenn du mich in England besuchst und ich dich manchmal Victoria nenne?«
»Das würde mich sicher nicht stören.«
Lächelnd tätschelte er ihre Schulter, dann erinnerte sie sich an ihre Manieren. »Vater, ich möchte dich mit meinen Brüdern bekannt machen«, verkündete sie voller Stolz.
Aufmerksam musterte er einen nach dem anderen, und Harrison trat an die Seite der Claybornes. Was er damit ausdrücken wollte, verstand sein Schwiegervater. In Mary Roses Herzen nahm ihr Ehemann die erste Stelle ein, dann kamen die Brüder und schließlich der Vater. Seiner Lordschaft machte es nichts aus, den letzten Platz auf der Liste einzunehmen, denn er wusste, dass sie genug Liebe für alle empfinden konnte.
Wieder betrachtete er die Claybornes. Das waren also die vier Lebensretter seines Kindes. Große, kräftige junge Männer – Gottes Antwort auf seine Gebete … Viele Jahre lang, in einsamen Nächten und tiefster Verzweiflung, hatte er den Himmel um ein Wunder angefleht.
Und der Allmächtige hatte ihm längst vier Wunder beschert. Jetzt war er mit einer zauberhaften Tochter gesegnet, mit einem großartigen Schwiegersohn und …
»Ich glaube, ich habe vier Söhne.«
28. November 1877
Liebe Mama Rose, bei der Abstimmung hat’s mich erwischt. Nun muss ich dir diesen Brief schreiben und dich bitten, endlich Ruhe zu geben. Mama, es
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